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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Kreaturen, denen man es entsprechend ihrer Nachkriegssozialisation nicht zugetraut hätte, stimmten<br />

in den Chor der Kriegsbegeisterten ein: Bertold Brecht vermutete, <strong>das</strong>s Großes gegeben werden<br />

müsse, um Großes zu erlangen, deutsche Ehre und Würde seien aller Opfer wert.<br />

Robert Musil freute sich in einem Essay 1914 über die Tugenden, die nun endlich wieder wichtig<br />

waren - Treue, Mut, Unterordnung, Pflichterfüllung, Schlichtheit. Alfred Döblin, in einem Artikel für die<br />

„<strong>Neue</strong> Rundschau”, verfluchte noch im Februar 1918 alle, die „<strong>das</strong> Wort Frieden” in den Mund nehmen<br />

sollten. 44<br />

Käthe Kollwitz machte ihren Stolz auf den Heldentod ihres Sohnes öffentlich und Franz Marc gelüstete<br />

es, seinen französischen Malerfreund Robert Delaunay vor sein Bajonett zu bekommen. Seine Mutter<br />

war Französin, was bewies, <strong>das</strong>s nicht die rassische Sprache des Bluts ihr Recht einforderte, sondern<br />

<strong>das</strong>s er an den Gebetsmühlen der Jugendbewegung sein bißchen Verstand eingebüßt hatte. Und<br />

konnten sie´s nicht schildern, so brachtens sie´s in Bildern. Der spätere Schnitzer von brutalistischen<br />

Engeln, Ernst Barlach und sein Secessionsfreund Max Liebermann illustrierten eifrig Kriegsflugblätter.<br />

Diese Künstlerflugblätter, begründet und herausgegeben von Paul Cassirer und Alfred Gold<br />

offenbaren <strong>das</strong> who is who der Deutschen Secession: Insgesamt erschienen die Nummern 1-64/65<br />

und ein Sonderheft mit Kriegsbildern von Max Oppenheimer. Zu den fleißigen Illustratoren gehörten<br />

Hans Baluschek, Ernst Barlach, J. Bato, Max Beckmann, P. Behrens, Walter Bondy, Büttner, Ludwig<br />

Danziger, Friedrich Feigl, V. Ferenczy, August Gaul, W. Geiger, Greve-Lindau, Großmann, Otto<br />

Hamel, Franz Heckendorf, Hettner, Dora Hitz, Heinrich und Ulrich Hübner, Otto Hundt, W. Jaeckel,<br />

Heinrich Kaiser, A. Kampf, Georg Kolbe, Alexander Kolde, Käthe Kollwitz, Max Liebermann, M. May,<br />

Hans Meid, J. Arpad Murmann, Oskar Nerlinger, Max Oppenheimer, Oesterle, Carl Olof Petersen, F.<br />

Rhein, Waldemar Rösler, Kurt Schäfer, Slevogt, O. Starke, Helmuth Stockmann, Erich Thum, F.<br />

Tischler, A. u. W. Trübner, Max Unold, Wilhelm Wagner, Karl Walser, E. R. Weiß, Hedwig Weiß und<br />

andere.<br />

Im Oktober 1914 begab sich Max Slevogt freiwillig als Kriegsmaler an die Westfront; nur drei Wochen<br />

später kehrte er erschüttert zurück.<br />

Wer nicht reimen konnte, der schuf Plastiken, und wer nicht bildhauen konnte, der malte: Franz von<br />

Stuck 1914 formte „Feinde von allen Seiten“. Max Klinger gestaltete die Todesanzeigen 1914.<br />

Es gab auch harmlose Fälle: Der Jugendstilmaler Adolf Münzer, der vordem für die Zeitschrift<br />

„Jugend“ blumenumkränzte Schönheiten porträtiert hatte, warb für harmlose Liebesgaben:<br />

Frank Wedekind zerstreute bereits 1892 die Besorgnis, <strong>das</strong>s man bei den Soldaten die köstlichen<br />

kubisch-gepreßten bzw. in Fläschchen gebannten Extrakte der Firma Maggi werde missen müssen.<br />

Maggi´s Kriegsverlängerungssuppen brachte er wie folgt an den Mann:<br />

Vater, mein Vater!<br />

Ich werde nicht Soldat,<br />

Dieweil man bei der Infantrie<br />

Nicht Maggi-Suppe hat.<br />

„Söhnchen, mein Söhnchen!<br />

Kommst Du erst zu den Truppen,<br />

So isst man dort auch längst nur Maggi´s<br />

Fleischkonservensuppen.“<br />

Die lesbische Claire Waldoff sang 1912: „Wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren, öffnen die<br />

Mädchen die Fenster und die Türen“ und im Krieg noch zahlreiche Soldatenlieder.<br />

Rilke besang gleich im August 1914 den Kriegsgott und die Leiden, die er einer wartenden Welt<br />

bescheren würde. Am Kriegsbeginn verlangten viele Literaten nach jener Bestrafung, die sie auch<br />

bekamen, ohne später eine eigene Schuld einzugestehen oder auch nur einzuräumen. Nach vier<br />

Kriegsjahren wurden die Schuldigen gesucht und gefunden: Krupp, Stinnes und Thyssen. Die<br />

Kriegstreiber schrien fanatisch „Haltet den Dieb!“ und stahlen sich aus der Verantwortung. Überall auf<br />

44 Die Dichter und der Krieg, Von Michael Jürgs, FAZ.net<br />

45

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