Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik
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Die Frontlinie bildete für eine Woche zwischen dem 12. und 17. August die Weichsel bei Warschau.<br />
Gerade zu diesem kritischen Zeitpunkt am 17. und 18. August kam es zu schweren<br />
Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Polen im Rücken der Front, insbesondere in<br />
Kattowitz. Ein Schelm, der in diesem internationalen Ränkespiel an Zufall glaubt.<br />
Am Abend des 17. August begannen die Polen nach Erhalt französischer Waffenlieferungen aus ihren<br />
Ausgangsstellungen an der Weichsel vorzurücken, <strong>das</strong> „Wunder an der Weichsel“ nahm seinen<br />
Anfang.<br />
Zwischen dem 18. und dem 26. August 1920 eroberten die Polen den Ostteil ihres Landes von den<br />
Sowjetrussen zurück. Auf die Reichswehr hatten die Rotarmisten einen wenig professionellen<br />
Eindruck gemacht. Insofern war man in Ostpreußen nicht überrascht, <strong>das</strong>s die Russen so schnell<br />
wieder zurückfluteten, wie sie eingerückt waren. 50.000 Rotarmisten flüchteten sich über die<br />
ostpreußische Grenze, wurden dort entwaffnet und interniert. 285<br />
Die Ereignisse an der polnischen Ostfront spiegelten sich in Schlesien. Am 19. und 20.8.1920 wurde<br />
ein Teil des Kreises Kattowitz von polnischen Aufständischen besetzt, was den Widerstand deutscher<br />
Freischärler hervorrief. Zum zweiten mal innerhalb eines Jahres floß <strong>das</strong> Blut in Strömen. Am<br />
26.8.1920 nach der russischen Niederlage ließen schlesische Demonstranten ihren Frust über den<br />
polnischen Sieg heraus und besetzten <strong>das</strong> polnische und <strong>das</strong> französische Konsulat in Breslau. 286<br />
Die SPD-geführte preußische Regierung, die für die Ordnung in Breslau zuständig war, versagte bei<br />
der Niederschlagung der Unruhen völlig, ebenso wie die Reichsregierung. Reichspräsident Ebert ließ<br />
sich alle Zeit der Welt und erließ erst als alles vorbei war, am 6. September 1920 eine Verordnung zur<br />
Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Breslau. Ein vom Ministerium des Innern<br />
zu ernennender Reichskommissar wurde ermächtigt, die Ordnung in der Stadtgemeinde Breslau<br />
wieder herzustellen.<br />
„Auf Beschränkungen der persönlichen Freiheit findet <strong>das</strong> Gesetz, betreffend die Verhaftung und<br />
Aufenthaltsbeschränkung auf Grund des Kriegszustandes und des Belagerungszustandes vom 4.<br />
Oktober 1916 entsprechende Anwendung." 287<br />
Seit Friedrich Ebert gibt es eine sozialdemokratische Kontinuität der Feindschaft gegen Polen. Die<br />
unqualifizierten Bemerkungen des DGB-Vorsitzenden Vetter zum Streik von 1980, die<br />
Auseinandersetzungen Helmut Schmidts mit der seinerzeit überwiegend polnischstämmigen<br />
Administration in Washington und der arrogante Umgang der Schröder-Fischer-Regierung mit Polen in<br />
der Verfassungs- und Pipelinefrage tragen ihre Früchte in den deutschen Medien.<br />
So heißt es auf einer Seite von www.preussen-chronik.de des öffentlich-rechtlichen Ostdeutschen<br />
Rundfunks:<br />
"Erste Bestrebungen eines polnischen Nationalismus, der auf eine Abtrennung Oberschlesiens<br />
vom Deutschen Reich zielt, gibt es bereits seit der Jahrhundertwende. In dieser Zeit wanderten<br />
über 70.000 Polen in <strong>das</strong> oberschlesische Industriegebiet ein, zumeist als billige Arbeitskräfte".<br />
Daß immer schon zahlreich Polen in Oberschlesien wohnten, verschweigt die Preußen-Chronik<br />
dezent. Weiter liest man:<br />
"Oberschlesien wird so geteilt, <strong>das</strong>s Polen und <strong>das</strong> deutsche Reich je einen Anteil an dem Gebiet<br />
erhalten, der dem Abstimmungsergebnis prozentual entspricht. Die Grenze wird zwischen den<br />
mehrheitlich polnischen und deutschen Gemeinden gezogen. Damit fallen 90 % des<br />
oberschlesischen Kohlevorkommens sowie der Zink-, Blei- und Silberhütten an Polen."<br />
Nicht erwähnt wird die jahrhundertelange preußische Unterdrückung der polnischen Bevölkerung<br />
Oberschlesiens und der jahrzehntelange Kampf der katholischen Kirche um die polnischen Rechte, an<br />
dessen Spitze fast zwei Jahrzehnte Wojciech Korfanty stand. Er wird in der Preußen-Chronik recht<br />
einseitig als Angehöriger einer militanten Gruppierung bezeichnet.<br />
285 Gerd Koenen: Der Russland-Komplex, C.H.Beck, S. 292 ff.<br />
286 www.regis-net.de/krieg/ruspol20.html und www.iyp.org/pilsudski/<br />
287 www.documentarchiv.de/wr/1920/notverordnung-reichspraesident_breslau.html<br />
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