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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Die Friedensbedingungen und ihre ersten Auswirkungen<br />

Die Periode der Nationalversammlung war durch die frustrierenden Verhandlungen zum Versailler<br />

Vertrag, die beginnende Inflation, Rohstoff- und Nahrungsmangel sowie einen allgemeinen Rückgang<br />

der Erzeugung auf vielen Gebieten gekennzeichnet. Fidus interpretierte diese Zeit auch als geistige<br />

Not.<br />

Fidus malte die Deutsche Not 1919, der Kriegspropagandisten und überzeugte Sozialist Louis<br />

Oppenheim malte ein Plkat zur Aufklärung über die Verluste, die Deutschland durch Versailles<br />

Versailles erlitten hatte. So sahen die führenden Karikaturisten Karl Arnold, Thomas Theodor Heine<br />

und Wilhelm Schulz den Versailler Vertrag: Karl Arnold beschwor abstruse Ängste herauf: „Die<br />

Verbreitung exotischer Seuchen ist im Versailler Vertrag nicht verboten – Also ist sie erlaubt“. Heine<br />

sah die Völkerbund-Friedensengel auf dem deutschen Michel stehen. Schulz malte <strong>das</strong> begrabene<br />

Deutschland.<br />

Besonders ungünstig für <strong>das</strong> Ansehen der Regierung waren die Abtretung der Provinzen Posen und<br />

Westpreußen im Februar 1919, die spartakistischen Märzunruhen 1919 und die Inempfangnahme der<br />

Friedensbedingungen im Mai 1919.<br />

Die Reparationszahlungen übertrafen alle Befürchtungen. Das lag auf der einen Seite an deren Höhe,<br />

auf der anderen Seite an dem Umstand, daß die Regierenden die Hoffnung genährt hatten, daß es<br />

schon nicht so schlimm kommen würde. Der Erwartungshorizont ist für die Aufnahme einer Botschaft<br />

entscheidend. Statt eines kurzen Aderlasses stand die jahrzehntelange Schröpfung des deutschen<br />

Patienten auf dem alliierten Therapiezettel.<br />

Die Räumung der Provinzen Posen und Westpreußen im Februar 1919 nach der dritten<br />

Waffenstillstandsverlängerung trug zu einem Stimmungsumschwung der Bevölkerung bei. Bis dahin<br />

wurden die Friedensverhandlungen positiver bewertet, danach nur noch negativ. Das hing damit<br />

zusammen, <strong>das</strong>s von der Reichsleitung während der ganzen Waffenstillstandszeit von Oktober bis<br />

Februar die Illusion genährt worden war, <strong>das</strong>s sich die Gebietsabtretungen auf den Westen<br />

beschränken würden, während <strong>das</strong> Reich im Osten als antibolschwistisches Bollwerk ungerupft<br />

davonkommen würde. Die Entente jedoch setzte auf eigenständige Staaten, wie die<br />

Tschechoslowakei, Polen und Rumänien als Puffer gegen Russland und gleichzeitig baute es diese<br />

Staaten der direkten Verbindung von Deutschland mit Russland in den Weg. Polen grenzte an<br />

Rumänien, um eine ungarische Grenze zu Russland zu verhindern. Zusätzlich erhielt die<br />

Tschechoslowakei noch eine Verlängerung in die ukrainischen Karpathen, um doppelt abzuisolieren.<br />

Die verschiedenen elitaristischen Krankheitsherde Europas: Russland, Deutschland, Österreich und<br />

Ungarn sollten voneinander abisoliert werden, um den gegenseitigen Transfer reformistischer<br />

Seuchen zu verhindern. Die Hoffnung auf den Erhalt des deutschen Siegfriedens im Osten wurden<br />

durch die Entente aprupt zerstört und der Gefühlshaushalt der Deutschen und Russen, die sich an<br />

ihre polnische Kolonialherrschaft über die bleierne Zeit von 120 langen Jahren gewöhnt hatten, ins<br />

Wanken gebracht.<br />

Neben erheblichen Gebietsverlusten im Westen und Osten sah der Vertrag den Verlust der Kolonien,<br />

die Abgabe der Hochseeflotte, Reparationszahlungen in nicht bestimmter Höhe, Besetzungen des<br />

Rheinlands, Rüstungsbeschränkungen und die Zuweisung der alleinigen Kriegsschuld vor. Zur<br />

Sicherung der Reparationen wurden Kontroll- und Interventionsrechte verankert.<br />

Wegen der Ablehnung der Friedensbedingungen trat die SPD-geführte Regierung Scheidemann im<br />

Juni zurück. Die über Nacht von Friedrich Ebert installierte SPD-geführte Regierung Bauer nahm die<br />

Friedensbedingungen mit den Stimmen von Zentrum und MSPD an, um den im Falle einer Ablehnung<br />

unmittelbar bevorstehenden französischen Einmarsch zu verhindern. Folgerichtig galten in Lenins<br />

Moskauer Terrorzentrale und bei den deutschen Reformisten <strong>das</strong> Zentrum und die SPD als<br />

Hauptagenten der westlichen Siegermächte.<br />

DDP und DVP lehnten die Friedensbedingungen ab, in der zutreffenden Erwartung, daß andere<br />

zustimmen würden. Damit entfernten sie sich aus der Übernahme von Verantwortung. Die im<br />

Reichstag nicht vertretene KPD und die DNVP waren überhaupt grundsätzlich gegen <strong>das</strong> Entente-<br />

Diktat.<br />

Gleichzeitig wurde durch die Siegermächte <strong>das</strong> Habsburger Reich abgewickelt. Ende 1918 hatte die<br />

Bildung der benachbarten Tschechoslowakischen Republik aus den Trümmern Habsburgs begonnen.<br />

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