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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Natürlich ist es auch möglich, die Kommunisten statt als Reformisten, die sie unter dem Gesichtspunkt<br />

des Elitarismus, z.B. in Form des sogenannten Personenkults 321 waren, zusammen mit den<br />

Sozialdemokraten zu bilanzieren, denn bis in die Mitte des Jahrzehnts war ein erheblicher Teil der<br />

KPD-Mitglieder und -führer vor dem Weltkrieg in der SPD organisiert gewesen. Die Zusammenstellung<br />

sähe dann so aus:<br />

1924 1912<br />

SPD/USPD 21,3 % 36,5 %<br />

KPD 12,6 % 0,0 %<br />

--------- ---------<br />

verschiedene Linke 33,9 % 36,5 %<br />

DDP-Reformisten 5,7 % 13,0 %<br />

DVP-Reformisten 9,2 % 14,5 %<br />

Völkische/Antisemiten 6,6 % 3,0 %<br />

---------- ----------<br />

Summe Reformisten 21,5 % 30,5 %<br />

In der politischen und kulturellen Praxis der Weimarer Republik waren Sozialdemokraten und<br />

Kommunisten soweit voneinander entfernt, daß die Einordnung der Kommunisten unter den<br />

Reformisten logischer erscheint, als die Einordnung zusammen mit der SPD. Die futuristischexpressionistische<br />

Periode der russischen Revolution bis 1924 und die neozaristisch-väterliche<br />

Periode unter Stalin wurden von den deutschen Kommunisten zeitgleich nachgestellt, beide Phasen<br />

glichen sich im elitaristischen Ansatz. Währenddessen verharrte die Sozialdemokratie bei egalitären<br />

Bebel´schen und Marx´schen Vorkriegskonzepten. Nach der sektiererischen Periode der KPD wurde<br />

Thälmann 1925 der väterliche Steuermann der fünften Kolonne Rußlands. Thälmann hantierte mit<br />

importierten asiatischen Regieanweisungen, sie funktionierten in Deutschland gerade so gut, <strong>das</strong>s sie<br />

ein Sechstel der Bevölkerung erreichten, und wiederum so schlecht, <strong>das</strong>s dieses Sechstel im<br />

stalinistischen Ghetto gefangen blieb. Deutschland war etwas empfänglich für die Moskauer Signale,<br />

weil es mit ähnlichen Symptomen an der Kulturkrise litt, als Russland, aber es war nur eine ähnliche<br />

Krise und nicht die gleiche. Der elitaristische antidemokratische Ansatz der KPD traf sich zuweilen mit<br />

dem elitaristisch-antidemokratischen Leitbild der NSDAP. Die Annäherungen von KPD und NSDAP<br />

1923 beim Ruhrkampf und 1932 sprechen eine beredte Sprache. In dieser Tradition reimte der<br />

Frauenmörder Johannes R. Becher noch 1939:<br />

An Stalin.<br />

Du schützt mit deiner starken Hand<br />

den Garten der Sowjetunion.<br />

Und jedes Unkraut reißt du aus,<br />

Du, Mutter Rußlands größter Sohn,<br />

nimm diesen Strauß.<br />

Nimm diesen Strauß mit Akelei<br />

zum Zeichen für <strong>das</strong> Friedensband,<br />

<strong>das</strong> fest sich spannt zur Reichskanzlei.<br />

Ebenbürtige Annäherungen zwischen SPD und KPD kann man suchen, es ist jedoch außer einer<br />

kurzlebigen Zusammenarbeit im Oktober 1923 in Sachsen und Thüringen nichts wichtiges gefunden<br />

worden. Außer dem Umstand, daß zahlreiche Kommunisten früher in der USPD organisiert gewesen<br />

waren, und vorher in der Vorkriegs-SPD, gab es keine Beziehungen.<br />

Es handelte sich 1924 um einen ersten Ausschlag weg von den gewachsenen Proportionen des<br />

Spätkaiserreichs, wobei zunächst gerade die Konservativen die Nutznießer des Umschwungs wurden.<br />

Die Konservativen erhielten Zulauf aus den Milieus von Reformisten und Marxisten und verzeichneten<br />

einen Zuspruch, wie sie ihn zu Regierungszeiten der Kaiser nie erreicht hatten.<br />

321 Das Wort „Führer“ war nach Hitler sehr belastet, es wurde nur noch in abgelegenen Weltengegenden<br />

ge<strong>braucht</strong>, z.B. in Kuba und Rumänien. Der verharmlosende Begriff „Personenkult“ wurde in den 50er Jahren<br />

geschaffen, um die Herrschaft Stalins von der Hitlers oder Mussolinis abzugrenzen.<br />

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