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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Eine Mittelstellung zwischen Revisionisten, die auf die evolutionäre Erringung der parlamentarischen<br />

Mehrheit setzten und August Bebel, der auf <strong>das</strong> Fallen des reifen sozialistischen Apfels vom<br />

herbstlichen Baume des Kapitalismus wartete, nahm Rosa Luxemburg ein. Wie die Revisionisten<br />

hatte sie begriffen, <strong>das</strong>s der Apfel sich mit seinem Stiel fest an den Baum klammerte, <strong>das</strong>s er nicht<br />

von alleine fallen würde, <strong>das</strong>s er gepflückt werden müsse; wie Bebel hielt sie aber an dem Glauben an<br />

eine Revolution durch die Volksmassen fest. Wie konnte man die Revolution durch die Massen<br />

herbeiführen? Rosa Luxemburg warb auf Parteitagen und in Wahlkämpfen immer wieder für den<br />

politischen Massenstreik, den Generalstreik.<br />

„Wenn man sieht, welch reges Interesse <strong>das</strong> Problem des Massenstreiks bei den Parteigenossen<br />

findet, wird man nicht annehmen können, <strong>das</strong>s die ganze Diskussion von einigen Anhängern der<br />

Massenstreikidee aufgebracht worden ist. Einer so allgemeinen Diskussion müssen doch<br />

Ursachen zugrunde liegen, die in den Verhältnissen wurzeln. Solche Diskussionen entstehen<br />

immer, wenn die Partei <strong>das</strong> Bedürfnis empfindet, die Bewegung einen bedeutenden Schritt<br />

voranzutreiben, und wenn den Parteigenossen zum Bewusstsein kommt, <strong>das</strong>s wir mit den<br />

bisherigen Methoden des Klassenkampfes nicht weiterkommen.... Massenstreiks können erst<br />

eintreten, wenn die historischen Vorbedingungen dafür gegeben sind. Sie lassen sich aber nicht<br />

auf Kommando machen. Massenstreiks sind keine künstlichen Mittel, die angewandt werden<br />

können, wenn die Partei ihre Politik verfahren hat, um uns dann von heute auf morgen aus dem<br />

Sumpf zu ziehen.“ 86<br />

Wenn man diese Gedanken liest, so drängt sich auf, <strong>das</strong>s Frau Luxemburg an dem Marxschen<br />

Gedanken der revolutionären Massenbewegung im Gegensatz zu Lenins Elitedoktrin und im<br />

Gegensatz zum Revisionismus der Gewerkschaftsführung festhalten wollte; <strong>das</strong>s sie Marxens Theorie<br />

„retten“ wollte. Letztlich konnte sie ihr Konzept weder in der revisionistischen SPD noch in der<br />

elitaristischen KPD durchsetzen. Sie scheiterte tragisch als Einzelkämpferin an der Weltfremdheit der<br />

Marx´schen Utopie und ihrem sturen und konsequenten Festhalten daran. In der SPD scheiterte sie<br />

vor allem an der pragmatischen Gewerkschaftsbürokratie, in der KPD an elitaristischen Reformisten<br />

wie Karl Liebknecht und Lenin, die Grundpositionen des Marxismus vom Sieg der Massen aufgegeben<br />

hatten.<br />

Nun kann man Rosa Luxemburg nicht pauschal als letzte Verteidigerin des Marxismus glorifizieren.<br />

Sie hatte auch extrem antimarxistische Positionen. 1859 häuften sich die Äußerungen von Marx zur<br />

Friedenssehnsucht der Bourgeoisie. Am 11. Januar 1859 schrieb er angesichts von Kriegsdrohungen<br />

Napoleon III. gegen Italien unter der Headline „Die Kriegsaussichten in Europa“ für die New-York Daily<br />

Tribune:<br />

„In allen Zentren des Geldmarkts weist <strong>das</strong> Barometer auf .(...) Der fadenscheinige Ruhm<br />

des Zweiten Kaiserreichs schwindet schnell dahin, und es <strong>braucht</strong> Blut, um diesen Riesenbetrug<br />

wieder zu befestigen. Und in welch besserer Rolle, als der eines Befreiers Italiens und unter welch<br />

günstigeren Bedingungen als Englands notgedrungener Neutralität, Russlands geheimer<br />

Unterstützung und Piemonts offner Dienstbarkeit könnte er jemals hoffen, Erfolg zu haben? Aber<br />

andererseits protestiert die Kirchenpartei in Frankreich gegen den gottlosen Kreuzzug; die<br />

Bourrgeoisie erinnert ihn an sein Wort: .“ 87<br />

Für die gleiche Zeitung schrieb er am 15. März 1859 über den drohenden Krieg Frankreichs gegen<br />

Österreich:<br />

„Die kommerzielle und industrielle Bourgeoisie, die Louis Napoleon als den großen zu preisen pflegte, bringt nun Anklage<br />

über Anklage gegen den ruchlosen Friedensbrecher vor, anstatt sich damit zu begnügen, die<br />

überschäumenden Kräfte Frankreichs niederzuhalten und die sozialistischen Desperados durch<br />

heilsame Beschäftigung in Lambessa und Cayenne zum Schweigen zu bringen, auf die<br />

ausgefallene Idee gekommen ist, die Aktien zum Sinken zu bringen, dadurch den regelmäßigen<br />

Geschäftsgang zu stören und die revolutionären Leidenschaften erneut zu wecken.“ 88<br />

86 Rosa Luxemburg, Reden, Reclam 1976, S. 238ff, Rede am 22.06.1913 in Berlin<br />

87 MEW Bd. 13, S. 168 ff.<br />

88 MEW Bd. 13, S. 280 f.<br />

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