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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Die SPD dagegen wusste nicht recht, wie sie den Arbeiter darstellen sollte: einmal erschien er wie auf<br />

stalinistischen Plakaten kraftvoll mit dem großen Hammer, oder optimistisch am Steuerrad der<br />

Planwirtschaft, ein andermal war er weiter <strong>das</strong> Objekt der Ausbeutung.<br />

Die Darstellung des selbstbewußten, kraftvollen Arbeiters in einer positiven Umgebung schloß die<br />

Darstellung der Ausbeutung mehr oder weniger aus. Die Darstellung der Ausbeutung erlaubte nicht,<br />

Supermänner als Helden der Arbeit darzustellen. Wie kann man Selbstbewußtsein und Kraft<br />

zusammen mit den Insignien der Ausbeutung ins Bild setzen? Das überforderte den Künstler, egal<br />

was er darstellen wollte. Der Arbeiter mußte die Ausbeutung abschütteln, die Kuhketten des<br />

Kapitalismus zerschlagen, um in der Sowjetunion oder im Dritten Reich vom Objekt zum Subjekt zu<br />

mutieren.<br />

In der bildenden Kunst gab es, soweit der Arbeiter und die Arbeit dargestellt wurden, immer wieder<br />

Annäherungen zwischen dem sozialistischen Realismus in Rußland und nationalsozialistisch<br />

inspirierter Malerei, und so gibt es auch Annäherungen des Arbeitsbegriffs. Boshaft könnte man von<br />

einem nationalsozialistischen Realismus sprechen, dabei würde man in letzter Konsequenz allerdings<br />

in die Irre gehen, denn im Unterschied zu Rußland sollte es in Deutschland auch nach 1933<br />

verschiedene Richtungen der darstellenden Kunst geben. Der Bildhauer Arno Breker, der für Hitler die<br />

Allegorien der Partei und der Wehrmacht als muskelbepackte Germanen mit Fahne beziehungsweise<br />

Schwert schuf, erhielt 1939 ein Arbeitsangebot Josef W. Stalins. An einem fähigen Bildhauer für<br />

Supermänner bestand gemeinsamer Bedarf, denn jene Supermänner waren <strong>das</strong> Symbol des Elitären,<br />

mit Heroenbildern wurde dem kleinen Mann auf der Straße seine Ungleichheit und Unfähigkeit, seine<br />

gesellschaftliche Impotenz abgebildet und verdeutlicht.<br />

Eine ähnliche Annäherung wie bei der Arbeitsdarstellung gab es übrigens auch in der Architektur, die<br />

in Deutschland und Rußland auf einen nationalen Historismus hinauslief, so daß man die neuen<br />

Gauforen und die Stalinallee nicht deutlich unterscheiden kann. Die Steine des Glockenturms von<br />

Buchenwald stammten von der Baustelle des Gauforums in Weimar und waren für den Campanile des<br />

Forums bestimmt, bis sie zur Erinnerung an die Opfer des KZ eine neue Verwendung fanden, ohne<br />

daß die frischgebackenen Bauherren vom geringsten Skrupel heimgesucht wurden. Es war eben wie<br />

es war. Der fertige Glockenturm wurde unfreiwillig, aber nicht ohne kulturgeschichtlich-ästhetischen<br />

Zusammenhang Adolfs letzte Rache, aus seinem Grab wächst keine Hand, sondern ein Turm.<br />

Zwischen der sowjetischen Kunst und der nationalsozialistischen Kunst gab es eine Annäherung, und<br />

es ist nur die Frage, wer schneller auf dem Weg in den optimistischen Schwulst war (der<br />

Staatsbürgerkundelehrer sprach vom Erkenntnisoptimismus der Arbeiterklasse). Aber zwischen der<br />

Kunst der traditionellen linken Arbeiterbewegung und der nationalsozialistischen Ästhetik tat sich Ende<br />

der zwanziger Jahre ein Unterschied auf, da die linke Szene im Westen den Tendenzen der<br />

Sowjetkunst nicht schnell genug folgte. Die Linken produzierten teilweise noch "Opferkunst", den<br />

Arbeiter als Objekt, und sprachen die jüngere Generation nicht mehr an.<br />

Immer mehr zeigte sich ein kleiner Unterschied: Die Arbeit war im Nationalsozialismus als Kraftquell<br />

oder als nationale Arbeit im Kampf gegen die Außenwelt definiert und nicht als auszehrende Arbeit<br />

einer Klasse unter dem Joch der Ausbeutung.<br />

Die Arbeit war vom Klassenbegriff getrennt worden, sie war Arbeit des klassenlosen Volksgenossen.<br />

Mit der Umwandlung des frühkapitalistischen Systems in ein berufsgenossenschaftliches<br />

Konsenzmodell mit gefolgstreuen Wirtschafts- und Arbeitsfrontführern, war die Auseinandersetzung<br />

zwischen Arbeiter und Kapitalist ein Ungedanke, denn alle Festlegungen zu Arbeitsbedingungen und<br />

Entgelten waren aus der Verantwortungssphäre der direkt am Produktionsprozeß Beteiligten entrückt.<br />

Genausowenig waren die Verhältnisse zwischen Arbeitern und Betriebsleitern im Sozialismus ein<br />

Gegenstand von Klassenkämpfen. Die Parteileitung entschied über die Verteilung der Früchte der<br />

Arbeit nach geheimen und internen Entschlüssen entsprechend dem System "Basta!".<br />

Mit dem Abschied vom Begriff der Klassen und der Praxis des Klassenkampfes, der mit dem Abschied<br />

von der Wirtschaftsverfassung des Kapitalismus eng verknüpft war, mit dem Übergang zu<br />

korporatistischen Formen des Wirtschaftens, gehörte die sozialkritische Betrachtung der Arbeit der<br />

Vergangenheit an. Oft gehörte ein dampfender Boden zur Arbeitsdarstellung, manche Gemälde aus<br />

der Arbeitswelt, insbesondere von Großbaustellen unterscheiden sich nur durch ein gelegentlich<br />

eingestreutes Hakenkreuz von späteren Darstellungen aus der sowjetrussischen Zeit. Die Arbeit war<br />

klassenübergreifend.<br />

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