Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik
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„Sollte es denn möglich sein! Dieser alte Heilige hat in seinem Walde noch Nichts davon gehört,<br />
<strong>das</strong>s Gott todt ist!“<br />
Oder kannten einige gar die letzten Fragmente Nietzsches?<br />
„Es gibt kein Recht auf Gehorsam, wenn der Befehlende bloß ein Hohenzollern ist.“ Oder: „Indem<br />
ich dich vernichte Hohenzollern, vernichte ich die Lüge.“<br />
Oder:<br />
„Ich will <strong>das</strong> Reich in ein eisernes Hemd einschnüren und zu einem Verzweiflungskampf<br />
herausfordern. Ich werde nicht eher die Hände frei bekommen, als bis ich den christlichen Husaren<br />
von Kaiser, diesen jungen Verbrecher sammt Zubehör in den Händen habe – mit Vernichtung der<br />
erbarmungswürdigsten Mißgeburt von Mensch, die bisher zur Macht gekommen ist.“<br />
Man sieht, <strong>das</strong> deutsche Heer hatte vom ersten Kriegstag an kein wirklich verbindendes Leitbild. Es<br />
wurde einfach nicht darüber gesprochen, wie es nach dem Kriege weitergehen sollte. Das war<br />
solange nur gesiegt wurde eher ein Vorteil, da jeder sich zusammenphantasieren konnte, was er<br />
wünschte; im Angesicht von endlosen Stellungskämpfen und Niederlagen jedoch ein großer Nachteil.<br />
Die Sozialdemokraten träumten vom marxistischen Zukunftsstaat, die Altmonarchisten von einem<br />
gestärkten und vergrößerten christlichen Imperium und die Reformisten von der Herrschaft der<br />
atheistischen geistigen deutsch-germanischen Übermenschen. Diese unterschiedlichen Ziele waren<br />
für den Sieg in einem immer länger währenden Kriege verhältnismäßig ungünstige Voraussetzungen.<br />
Die generationsbedingte Zerrissenheit der Konservativen hielt in der Weimarer Republik an. Weimarer<br />
Wanderer zwischen dem reformistischen und dem konservativen Lager waren nicht nur<br />
Gymnasiasten, Studenten und Freikorps, sondern auch völkische Landkommunarden, der<br />
überwiegende Teil der Wandervögel, die freideutschen Bünde, Denkmal-, Tier- und Naturschützer und<br />
die jüngeren Bauern, die zahlreich den zunehmend mehr völkischen als konservativen Landbünden<br />
folgten.<br />
Im Strudel der Moskauer Machtkämpfe<br />
Ab 1924 wurde die KPD tiefer in die innerrussischen Strudel der KPdSU-Fraktionskämpfe<br />
hereingezogen. Noch 1923 hatte die KPD unter dem Einfluß von Karl Radek erst die antisemitischnationalistische<br />
Schlageter-Linie gefahren und anschließend unter dem Kommando Trotzkis <strong>das</strong><br />
Abenteuer des Hamburger Aufstands gewagt. Namen sind Nachrichten. Viele neue Namen zeigen<br />
Machtkämpfe an. Die Führungspersonen wechselten ständig: 1924/25 waren Ruth Fischer, Arkardij<br />
Maslow, Werner Scholem und Ernst Thälmann am Ruder, 1926 Ernst Thälmann, Philipp Dengel, Ernst<br />
Meyer und Arthur Ewert, ab 1928 Ernst Thälmann, Heinz Neumann und Hermann Remmele. 1932<br />
wurden Remmele und Neumann abserviert. Die einzige Konstante war Thälmann. Er kungelte am<br />
meisten mit Stalin und schloß Geheimabkommen mit ihm.<br />
Innerparteilichen Gegnern in der KPD wurde je nach aktuellem Bedarf <strong>das</strong> Moskauer Abzeichen<br />
"Rechter Abweichler" oder "Linker Abweichler" angeheftet, um sie im innerparteilichen Leben mundtot<br />
zu machen. Mit einem "Offenen Brief" der Komintern von 1925 wurde die frischgewählte Fischer-<br />
Maslow-Gruppe heftigst kritisiert und im Gefolge aus der Parteiführung entfernt. Aber schon während<br />
der Fischer-Maslow-Zeit war die Herausdrängung von Funktionären mit SPD- und USPD-<br />
Vergangenheit in vollem Gange. Der Ausschluß der "Rechten", unter denen vor allem und zunächst<br />
jene zu verstehen waren, die die Zusammenarbeit mit der SPD gesucht hatten, erfolgte 1928. Einige<br />
wurden direkt vom EKKI ausgeschlossen, andere vom Politbüro der KPD. August Thalheimer, Paul<br />
Frölich, Heinrich Brandler, Robert Siewert und andere gründeten nach ihrem Hinauswurf aus der KPD<br />
die KPD (Opposition), die freilich keine Bedeutung gewann. Interessant ist jedoch die Statistik des<br />
Gründungsparteitags der KPD (O): Von 74 Delegierten hatten 53 (= 72 %) der Vorkriegs-SPD und 43<br />
(= 58 %) dem Spartacusbund angehört. 334 Mit diesen Prozentsätzen konnte die KPD in ihrer<br />
stalinistischen Phase nicht mehr im entferntesten aufwarten. Hier gab es mit Thälmann, Pieck und<br />
Ulbricht auch noch ehemalige Sozialdemokraten, daneben stiegen jedoch viele politischen Jungtürken<br />
334 Theodor Bergmann: Gegen den Strom. Die Geschichte der KPD(O). VSA-Verlag, Hamburg 2001<br />
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