15.11.2012 Aufrufe

Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Sollte es denn möglich sein! Dieser alte Heilige hat in seinem Walde noch Nichts davon gehört,<br />

<strong>das</strong>s Gott todt ist!“<br />

Oder kannten einige gar die letzten Fragmente Nietzsches?<br />

„Es gibt kein Recht auf Gehorsam, wenn der Befehlende bloß ein Hohenzollern ist.“ Oder: „Indem<br />

ich dich vernichte Hohenzollern, vernichte ich die Lüge.“<br />

Oder:<br />

„Ich will <strong>das</strong> Reich in ein eisernes Hemd einschnüren und zu einem Verzweiflungskampf<br />

herausfordern. Ich werde nicht eher die Hände frei bekommen, als bis ich den christlichen Husaren<br />

von Kaiser, diesen jungen Verbrecher sammt Zubehör in den Händen habe – mit Vernichtung der<br />

erbarmungswürdigsten Mißgeburt von Mensch, die bisher zur Macht gekommen ist.“<br />

Man sieht, <strong>das</strong> deutsche Heer hatte vom ersten Kriegstag an kein wirklich verbindendes Leitbild. Es<br />

wurde einfach nicht darüber gesprochen, wie es nach dem Kriege weitergehen sollte. Das war<br />

solange nur gesiegt wurde eher ein Vorteil, da jeder sich zusammenphantasieren konnte, was er<br />

wünschte; im Angesicht von endlosen Stellungskämpfen und Niederlagen jedoch ein großer Nachteil.<br />

Die Sozialdemokraten träumten vom marxistischen Zukunftsstaat, die Altmonarchisten von einem<br />

gestärkten und vergrößerten christlichen Imperium und die Reformisten von der Herrschaft der<br />

atheistischen geistigen deutsch-germanischen Übermenschen. Diese unterschiedlichen Ziele waren<br />

für den Sieg in einem immer länger währenden Kriege verhältnismäßig ungünstige Voraussetzungen.<br />

Die generationsbedingte Zerrissenheit der Konservativen hielt in der Weimarer Republik an. Weimarer<br />

Wanderer zwischen dem reformistischen und dem konservativen Lager waren nicht nur<br />

Gymnasiasten, Studenten und Freikorps, sondern auch völkische Landkommunarden, der<br />

überwiegende Teil der Wandervögel, die freideutschen Bünde, Denkmal-, Tier- und Naturschützer und<br />

die jüngeren Bauern, die zahlreich den zunehmend mehr völkischen als konservativen Landbünden<br />

folgten.<br />

Im Strudel der Moskauer Machtkämpfe<br />

Ab 1924 wurde die KPD tiefer in die innerrussischen Strudel der KPdSU-Fraktionskämpfe<br />

hereingezogen. Noch 1923 hatte die KPD unter dem Einfluß von Karl Radek erst die antisemitischnationalistische<br />

Schlageter-Linie gefahren und anschließend unter dem Kommando Trotzkis <strong>das</strong><br />

Abenteuer des Hamburger Aufstands gewagt. Namen sind Nachrichten. Viele neue Namen zeigen<br />

Machtkämpfe an. Die Führungspersonen wechselten ständig: 1924/25 waren Ruth Fischer, Arkardij<br />

Maslow, Werner Scholem und Ernst Thälmann am Ruder, 1926 Ernst Thälmann, Philipp Dengel, Ernst<br />

Meyer und Arthur Ewert, ab 1928 Ernst Thälmann, Heinz Neumann und Hermann Remmele. 1932<br />

wurden Remmele und Neumann abserviert. Die einzige Konstante war Thälmann. Er kungelte am<br />

meisten mit Stalin und schloß Geheimabkommen mit ihm.<br />

Innerparteilichen Gegnern in der KPD wurde je nach aktuellem Bedarf <strong>das</strong> Moskauer Abzeichen<br />

"Rechter Abweichler" oder "Linker Abweichler" angeheftet, um sie im innerparteilichen Leben mundtot<br />

zu machen. Mit einem "Offenen Brief" der Komintern von 1925 wurde die frischgewählte Fischer-<br />

Maslow-Gruppe heftigst kritisiert und im Gefolge aus der Parteiführung entfernt. Aber schon während<br />

der Fischer-Maslow-Zeit war die Herausdrängung von Funktionären mit SPD- und USPD-<br />

Vergangenheit in vollem Gange. Der Ausschluß der "Rechten", unter denen vor allem und zunächst<br />

jene zu verstehen waren, die die Zusammenarbeit mit der SPD gesucht hatten, erfolgte 1928. Einige<br />

wurden direkt vom EKKI ausgeschlossen, andere vom Politbüro der KPD. August Thalheimer, Paul<br />

Frölich, Heinrich Brandler, Robert Siewert und andere gründeten nach ihrem Hinauswurf aus der KPD<br />

die KPD (Opposition), die freilich keine Bedeutung gewann. Interessant ist jedoch die Statistik des<br />

Gründungsparteitags der KPD (O): Von 74 Delegierten hatten 53 (= 72 %) der Vorkriegs-SPD und 43<br />

(= 58 %) dem Spartacusbund angehört. 334 Mit diesen Prozentsätzen konnte die KPD in ihrer<br />

stalinistischen Phase nicht mehr im entferntesten aufwarten. Hier gab es mit Thälmann, Pieck und<br />

Ulbricht auch noch ehemalige Sozialdemokraten, daneben stiegen jedoch viele politischen Jungtürken<br />

334 Theodor Bergmann: Gegen den Strom. Die Geschichte der KPD(O). VSA-Verlag, Hamburg 2001<br />

246

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!