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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Über die Gemeindevorsteher heißt es in der Kommunalordnung:<br />

"Die Gemeindevorsteher sind berufen und verpflichtet, <strong>das</strong> Beste der Gemeinde, als Mitglieder des<br />

Ortsvorstandes und Gehülfen des Schuldheißen, berathend und verwaltend zu wahren und zu<br />

fördern. Sie haben daher in den Versammlungen des Ortsvorstandes ihren Rath nach bestem<br />

Wissen und Gewissen zu ertheilen....Sie sind schuldig, den Schuldheißen bei Ausführung der<br />

zustande gekommenen Beschlüsse zu unterstützen und Aufträge zum Besten der Gemeinde zu<br />

übernehmen und zu vollziehen. Im Falle der Verhinderung des Schuldheißen tritt der erste oder<br />

einer der übrigen Gemeindevorsteher an seine Stelle, in der Ordnung, wie ihre Wahl erfolgt ist."<br />

Der Schuldheiß wurde vom großherzoglichen Oberbeamten ernannt, der Ortsvorstand wurde von den<br />

stimmberechtigten Gemeindegliedern gewählt.<br />

Zum Vollzug der neuen Ordnung gibt im folgenden ein Protokollbuch der Gemeindeversammlungen<br />

Auskunft: "10. März 1848. Der Schultheiß Kotte ließ durch mündliches Hereinfragen die hiesigen<br />

Nachbarn auf heute Abend 7 Uhr ins hiesige Gasthaus zusammenfordern. Selbige hatten sich der<br />

größeren Anzahl eingefunden." Dieses Hereinfragen am selben Tage blieb die Regel über einen<br />

längeren Zeitraum bis mindestens in die siebziger Jahre. Den Grund für die Präferenz der Obrigkeit für<br />

parlamentarische Vertretungen kann man aus der folgenden Notiz erahnen:<br />

"Am 14. März wurden die hiesigen Nachbarn durch mündliche Ladung zur Versammlung gebeten,<br />

um wichtige Bekanntmachungen seiner Königlichen Hoheit anzuhören. Der Schultheiß fuhr hierauf<br />

fort, daß er wie alle guten Staatsbürger sich der gewährten Volkswünsche herzlich freue und hoffe,<br />

daß bei weiser Benutzung derselben durch unsere Volksvertreter der Segen für <strong>das</strong> Land nicht<br />

ausbleiben könne, daß aber auch die neue Bildung unseres jetzigen Staatslebens bloß durch den<br />

Landtag und nicht durch tumultarische Volksversammlung erfolgen könne."<br />

Der Regelfall blieb die tumultarische Vollversammlung der gesamten männlichen Einwohner und<br />

Nachbarn: Jakobi 1848 (25. Juli): "Nach herkömmlichem Gebrauch wurde am heutigen Tage die<br />

hiesigen Nachbarn durch Glockenruf an den gewöhnlichen Versammlungsort im hiesigen Gasthaus<br />

zusammengerufen und sind bis auf W. Schläfer, Katharina Locke und Paul Horlebeck erschienen.<br />

Dem Herkommen gemäß wurde von dem Gemeindekassierer Busch der Stab gehoben und hierdurch<br />

die Versammlung eröffnet. Hierauf wurden die nöthigen Verpachtungen vorgenommen und in <strong>das</strong><br />

dazu vorhandene Gemeindebuch eingetragen, eben dafür wurden aufgenommen Nachbargelder,<br />

Strafen, Tagelöhner, Feuerläufer und Spritzenmannschaft und Spritzenmeister wurden ebenfalls in<br />

<strong>das</strong>selbe eingetragen. Die bei der Versammlung vorzubringenden Geschäfte waren hiermit beendigt<br />

und <strong>das</strong> durch Heben des Stocks der Versammlung angezeigt."<br />

Am 25. Juli 1849 (Jacobi) wiederholte sich zur jährlichen Gemeindeversammlung <strong>das</strong>selbe<br />

räthselhafte Ritual des Stabaufhebens wie genau ein Jahr zuvor. Wieder erfolgte zu dieser<br />

Versammlung die Einladung nicht durch <strong>das</strong> sonst übliche Hereinfragen, sondern durch Glockenruf,<br />

wiederum wurde die Versammlung durch den Gemeinderechnungsführer F. Busch durch Aufheben<br />

des Stabes eröffnet und wieder wurden die nötigen Verpachtungen vorgenommen und in <strong>das</strong> dazu<br />

vorhandene Gemeindebuch eingetragen.<br />

Jahre waren seit der Einführung der Kommunalordnung vergangen und der Gemeindeortsvorstand<br />

hatte noch nicht ein einziges Mal getagt. Alles geschah wie zu Karl des Großen Zeiten in der<br />

Gemeindeversammlung aller Nachbarn und nach alter Tradition wurden die Nachbarn spontan<br />

zusammengetrommelt, ohne Tagesordnung und ohne Ladungsfrist.<br />

1854 wurde wieder die Seite vom Tag Jakobi aus dem Protokollbuch der Gemeinde herausgefischt.<br />

Den Posten des Schultheißen gab es nun nicht mehr, statt dessen regierte der Bürgermeister<br />

Friedrich Gottschalg die Gemeinde, die Nachbarn waren in Ortsbürger umgenannt und die<br />

Landgemeindeordnung von 1840 war durch ein neues Gemeindegesetz ersetzt worden, nur der Stab<br />

spielte immer noch seine alte Rolle:<br />

"Nachdem der Bürgermeister die diesjährige Feier des gesagten Tages Jakobi auf heute<br />

festgesetzt hatte, wurden die hiesigen Ortsbürger nachmittags 1 Uhr durch Glockenton zur<br />

Versammlung gerufen. Die Versammlung wurde im Saal des hiesigen Gasthauses abgehalten.<br />

Nach herkömmlicher Weiße erhob der Bürgermeister den Stab und somit war die Versammlung<br />

eröffnet."<br />

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