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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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„In der Kunst ist es anders als beim Fußballspiel: In der Abseitsstellung erzielt man die meisten<br />

Treffer“, hatte Salvador Dali behauptet. Karl Peter Röhl´s Biografie zwischen Bauhaus und NSDAP<br />

widerlegt <strong>das</strong> Zitat.<br />

Einige wenige Künstler gingen nicht mit der Mode, sondern sie machten Mode. Andere wie der Maler<br />

Karl Peter Röhl (1890-1975) hechelten dem jeweils letzten Ismus nach. Röhl wurde als<br />

Beispielkünstler ausgesucht, weil er jeweils sehr zeitnah zum Mitläufer des Zeitgeists wurde. Immer<br />

bevor der politische Vulkan ausbrach hatte er bereits innere Vibrationen, jedes politische und<br />

künstlerische Beben ahnte er schon 3 Jahre vorher voraus, allerdings ohne je eine vernünftige<br />

Deutung der Schicksalszeichen zustande zu bringen. Statt den modernistischen Versuchungen zu<br />

wiederstehen, war er der Trendsetter des Untergangs und der Fährtenhund auf dem Weg zur Hölle. Er<br />

hatte wie viele Künstler seiner Generation <strong>das</strong> Pech, gerade in der Blüte des Jugendstils, des<br />

Werkbundes und des Bauhauses aufzuwachsen. Um der künstlerischen Tradition konsequent aus<br />

dem Wege zu gehen, scheute er zunächst keine Mühen. Als er sich der Tradition näherte, verschrieb<br />

er sich immer noch an den politischen Teuffel.<br />

1914 lernte Röhl Johannes Molzahn kennen, der gerade aus der Schweiz nach Weimar zurückgekehrt<br />

war. Damit kam Röhl unter den Einfluß zeitgenössischer gesellschaftsreformatorischer Vorstellungen.<br />

"Ekstatisch vitalistische Aktfiguren, die sich in raumgreifender Gebärde der Sonne entgegenrecken,<br />

und alle Fesseln abgeworfen zu haben scheinen, nur noch den Grundkräften von Natur und Kosmos<br />

unterworfen sind, erscheinen als Gegenentwurf zu den 10 Geboten. Auch <strong>das</strong> 1916 erstmals<br />

eingeführte Verkündigungsmotiv steht als Metapher für die Geburt des <strong>Neue</strong>n <strong>Menschen</strong>". 403<br />

Unschwer ist auszumachen, daß die kosmologischen Ideen antichristlich gefärbt waren. Die<br />

pubertären Schmierereien hätten sicher schnell ein Ende gefunden, wenn es nicht Interessierte<br />

gegeben hätte, die nach Verbündeten im Kampf gegen Gott gesucht haben.<br />

Förderer von Röhl waren von 1919 bis 1921 der Weimarer Museumsleiter Wilhelm Köhler, der<br />

Direktor des Erfurter Angermuseums, Edwin Redslob und der Kunstsammler Harry Graf Kessler. Röhl<br />

war zu dieser Zeit am Bauhaus eingeschrieben. "Thema der Bauhausjahre bleibt die Darstellung eines<br />

universalen Weltgefüges und des von der `großen kosmischen Welle´ erfaßten <strong>Menschen</strong>"<br />

(Hofstaetter, S. 380). Nach dem Weggang vom Bauhaus entstanden angeregt von Lyonel Feininger<br />

mit Lineal und Zirkel entworfene abstrakte Kompositionen. Der nächste Ideengeber wurde Theo van<br />

Doesberg, der 1921 seinen Wohnsitz nach Weimar verlegte und den holländischen De Stijl-Stil<br />

propagierte. Die Teilnahme am Kongreß der Konstruktivisten und Dadaisten in Weimar 1922 war die<br />

nächste Station.<br />

Nach einem Versuch mit Bilderschriften und Runenschriften erfolgte 1926 der Wegzug nach Frankfurt.<br />

Dort führte er zunächst die Weimarer Zeichenschrift-Ansätze fort, 1929 erfolgt ein radikaler Umbruch,<br />

bis 1945 sind nur gegenständliche nichtabstrakte Werke überliefert. In der Weimarer Ausstellung<br />

"Aufstieg und Fall der Moderne" hing links neben einer Tür ein zwar gegenständliches, aber düsteres<br />

Gemälde vor 1933 und neben der rechten Zarge ein dralles blondes Mädchenporträt von 1933 in<br />

leuchtenden Farben. 1933 war Röhl in die NSDAP eingetreten, er erwartete einen neuerlichen<br />

Aufbruch von Kunst und Gesellschaft.<br />

"Schwärmerische Gedichte im Nachlaß Röhls belegen seinen Glauben an eine mystischvolksvereinende<br />

Kraft dieser (...nationalsozialistischen...) Bewegung.“ 404<br />

Während er schwärmte wurden 13 seiner Grafiken von 1914 als entartete Kunst beschlagnahmt.<br />

Weder ihn selbst noch die Partei schien <strong>das</strong> so zu stören, daß <strong>das</strong> Verhältnis miteinander belastet<br />

wurde. Auffällig und bedeutsam ist, daß Röhl den Malstil von abstrakt zu gegenständlich nicht 1933<br />

wechselte, sondern deutlich vorher, ab 1929. Der Lückenspringer Röhl ist damit kein Einzelfall, der<br />

Paradigmenwechsel in der Kunst erfolgte eben vor 1933 und nicht 1933 und auch nicht nach 1933. Es<br />

gab eben vor 1933 eine nicht nur politische, sondern auch künstlerische Wechselstimmung.<br />

So zeitig wie er seinen Ausflug zum Nationalsozialismus begann, so zeitig stellte er sich auf die<br />

Nachkriegszeit ein. Ab 1942 tauchten in seinem Werk Hammer und Sichel, auf, so daß er die<br />

Frankfurter Kunstschule verlassen mußte und eingezogen wurde. Nach dem Krieg gelang ihm die<br />

403 Constanze Hofstaetter, Katalog "Aufstieg und Fall der Moderne", Hatje Cantz Verlag, 1999, S. 378 ff<br />

404 Constanze Hofstaetter: Karl Peter Röhl und die Versuchungen des Jahrhunderts. Ausfstieg und Fall der<br />

Moderne, Hatje Crantz, S. 384<br />

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