Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik
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Schumpeters Irrtum war, daß Kartelle für die rationelle Durchsetzung neuer Produktionsmethoden<br />
erforderlich sind. Hiermit war er Kind seiner Zeit. Jeder Brüsseler Wettbewerbskommissar würde<br />
angesichts der wettbewerbsfeindlichen Vorstellungen der 20er Jahre im Viereck springen.<br />
Besonders deutlich wird Schumpeters inkongruente Haltung bei seiner Vernehmung vor dem<br />
Kartellausschuß des Reichstags 1929:<br />
"Da man auf Grund der heutigen wirtschafts- und betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse und<br />
Methoden noch nicht in der Lage ist, die Bedeutung der Kartellierung für die Entwicklungsschancen<br />
jeder einzelnen Industrie exakt abzuschätzen, um z.B. produktionsfortschrittlich orientierte Kartelle<br />
gewähren lassen, Preishochhaltungskartelle dagegen reprimieren zu können, würde ein<br />
Registerzwang unzweckmäßig sein, besonders, da unsere Kartelle infolge der<br />
Reparationsverpflichtungen eine nationale Bedeutung haben...."<br />
Die Konzentrationswelle rollte in den zwanziger Jahren. Big war beautiful. 1926 wurden unter dem<br />
Einfluß der Deutschen Bank Mercedes und Benz miteinander fusioniert.<br />
Heute kümmert sich <strong>das</strong> Bundeskartellamt überhaupt nicht um den Unterschied zwischen<br />
technologieorientierten und Preishochhaltungskartellen. In den zwanziger Jahren war die freie<br />
Konkurrenz so weit weg, daß auch Schumpeter im Zeitgeist befangen war und sich nichts anderes als<br />
Planwirtschaft auf der Ebene der Industriezweige vorstellen konnte. Reale Hintergründe für<br />
Rechtfertigung der Kartelle im allgemeinen war die Bewirtschaftung der Reparationen und für<br />
technologieorientierte Kartelle im besonderen der Kapitalmangel in den zwanziger Jahren. Über<br />
mögliche Nachteile der Kartelle war sich auch Schumpeter bewußt:<br />
"So groß die Bedeutung der Kartelle auch für die moderne Wirtschaft sein mag, so ist doch bei<br />
einer unentrinnbaren Kartellierung die Gefahr der wirtschaftlichen Versteinerung und<br />
Bürokratisierung nicht gering. Man sollte daher auf die in der Kündigungsmöglichkeit liegende<br />
potentielle Konkurrenz nicht ganz verzichten." Vorsitzender des Ausschusses: "Liegt nicht darin<br />
eine geistige Inkongruenz, <strong>das</strong>s man in der Zeit eines auch staatlich geforderten Kollektivismus ein<br />
liberalistisches Element in Form individualistischer Konkurrenz einschaltet?" Sachverständiger Dr.<br />
Schumpeter: "Liberalistisch wäre ein aktives Vorgehen gegen die Kartelle....Die geistige<br />
Inkongruenz ist in einer von Widersprüchen erfüllten und alle Zeichen einer Umbildungsperiode<br />
tragenden Zeit vermutlich <strong>das</strong> Charakteristikum einer richtigen Politik." 355<br />
Leider war diese Inkongruenz wie man heute weiß, <strong>das</strong> Charakteristikum einer falschen Politik. Von<br />
der Umbildungsperiode hatte der Sachverständige Dr. Schumpeter weitere zwei Jahre später die<br />
Nase voll, er folgte im September 1932 einem Ruf an die Harvard University und besuchte<br />
Deutschland fürderhin als Tourist.<br />
In den dreißiger Jahren entwickelten einige wenige deutsche Wirtschaftswissenschaftler eine neue<br />
ordoliberale Wirtschaftstheorie, in der der Staat die Rahmenbedingungen schaffen sollte, in deren<br />
Bahnen sich die wirtschaftlichen Abläufe bewegen. Dazu war jedoch die Ablösung des<br />
korporatistischen Paradigmas erforderlich. Soweit war es in den zwanziger Jahren noch nicht, wie<br />
man an den Ausführungen Schumperters im Ausschuß sieht. Die Spielregeln der kartellierten<br />
Wirtschaft wurden noch nicht wirklich auf die Probe gestellt. Während Schumperter an der<br />
Notwendigkeit von Kartellen letztlich einräumte, werkelte Werner Sombart an seinem „Deutschen<br />
Sozialismus“.<br />
Die ganze zeitgenössische Wirtschaftswissenschaft widerkäute <strong>das</strong> korporatistische Hexeneinmaleins:<br />
Robert Liefmann schrieb in „Kartelle und Trusts und die Weiterentwicklung der volkswirtschaftlichen<br />
Organisation“:<br />
„Die Kartelle sind ja nichts wirklich von den Unternehmen Geschaffenes, sondern sie und ihre<br />
Weiterbildungen sind notwendige Ergebnisse unserer ganzen wirtschaftlichen Entwicklung; wir<br />
könne sie auch gar nicht mehr entbehren, und ihre Unterdrückung, wenn überhaupt möglich, wäre<br />
ein Verzicht auf den wirtschaftlichen Fortschritt, der wie wir sahen, durch sie gefördert wird.“<br />
Der Nationalökonom Moritz Julius Bonn wurde mit folgender Wertung aus dem Jahre 1932 im<br />
Standardwerk „Die Republik von Weimar“ Bd. 2 zitiert:<br />
355 Vernehmung zur Kartellpolitik: www.schumpeter.info/Edition-Kartell%20.htm<br />
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