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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Jahren eine erste Staatsvisite. Und es war gleich ein König, der Deutschland seinen Besuch<br />

abstattete. Und dazu noch einer, der gegen <strong>das</strong> verhaßte England 1919 bis 1921 erfolgreicher als<br />

Deutschland Krieg geführt hatte und damit die Interessen Deutschlands am Hindukusch verteidigte.<br />

"Als der Salonzug Amanullahs hielt, lüftete Reichspräsident Paul von Hindenburg den Zylinder.<br />

Kantiger Schädel, eisgraues Haar... Amanullah trug einen hellblauen Waffenrock. Goldbestickt, mit<br />

Orden übersät, scharlachrote Hosen, eine tschakoähnliche Uniformmütze mit Brillant-Agraffe und<br />

Reiherstutz. Ein schwarzer Umhang wallte um die Schultern des jungen sympathischen Königs." 348<br />

Einen Tag später stand Trude Hesterberg verkleidet als des Königs Frau Soraya gemeinsam mit Kurt<br />

Gerron als König Amanullah auf der Bühne des Theaters des Westens und sie sangen gemeinsam<br />

erstmalig den eigens komponierten Schlager "Wer soll <strong>das</strong> bezahlen, wer hat <strong>das</strong> bestellt, wer hat<br />

soviel Pinke-Pinke, wer hat soviel Geld?" Tatsächlich soll der Staatsbesuch eine Million Reichsmark<br />

gekostet haben und anschließend wurden noch 6 Millionen nach Afghanistan überwiesen. Von<br />

Entwicklungshilfe kann man wohl nicht sprechen, wenn ein Kriegsverlierer die Spendierhosen für eine<br />

ferne Siegermacht anzog.<br />

Kurt Tucholsky teilte die kindliche Freude der Bürger und Untertanen über jenen Staatsbesuch nicht,<br />

über den die deutsche Regenbogenpresse täglich berichtete. Über die Arbeiter-Illustrierte Zeitung<br />

brachte er folgendes Gedicht in Umlauf, welches dem jungen König aus offensichtlich rassischen<br />

Motiven eine harmlose Ehrendoktorwürde mißgönnte:<br />

Ersatz<br />

Einen richtigen König? Wir haben keinen<br />

und daher borgen wir uns einen.<br />

Sei gegrüßt, du schöne Gelegenheit!<br />

Alles ist wie in alter Zeit:<br />

Straßenabsperrung und Schutzmannsgäule,<br />

Neugier der Kleinbürger, Hurra-Geheule,<br />

Monokel-Kerle die Kreuz und die Quer<br />

und: Militär! Militär! Militär!<br />

Endlich wissen die deutschen Knaben,<br />

wozu sie eine Reichswehr haben!<br />

Dazu.<br />

Denn wenn Deutschland was feiert,<br />

kommt immer die Reichswehr angemeiert,<br />

als der vollendete Ausdruck des Landes<br />

und zur Erfrischung des Bürgerverstandes.<br />

Im Spalier aber steht bei Aman Ullah-Chan<br />

Er: der deutsche Untertan.<br />

(...)<br />

Generale und Admirale.<br />

Bürgermeister und Ehrenpokale –<br />

oben, auf dem Brandenburger Tor,<br />

lugt eine richtige Feldwache vor<br />

– sie spielen Krieg – als ob sie drauf lauern,<br />

vor der Macht eines Königs zu erschauern.<br />

Und in allen Augen ein Glanz:<br />

Heil Aman Ullah im Siegerkranz!<br />

(Unsrer ist leider – Gott seis gepfiffen –<br />

leise weinend ausgekniffen.)<br />

Und wer kommt denn da –?<br />

Der liebe gute republikanische Kronprinz ist auch noch da!<br />

Mit dem Geschmack von Papa<br />

und mit Tatü und Tata<br />

348 Zitiert in „Die Welt“ am15.03.2002<br />

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