Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik
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ebenfalls hergereist kamen, meist nicht nach Mustern, sondern nach herkömmlichen Qualitäten<br />
und vom Lager kauften, oder und dann lange vorher, bestellten, woraufhin dann eventuell weiter<br />
bei den Bauern bestellt wurde. Eigenes Bereisen der Kundschaft geschah, wenn überhaupt, dann<br />
selten einmal in großen Perioden, sonst genügte Korrespondenz und, langsam zunehmend,<br />
Musterversendung. Mäßiger Umfang der Kontorstunden, - vielleicht 5 - 6 am Tage, zeitweise<br />
erheblich weniger, in der Kampagnezeit, wo es eine solche gab, mehr, - leidlicher zur anständigen<br />
Lebensführung und in guten Zeiten zur Rücklage eines kleinen Vermögens ausreichender<br />
Verdienst, im ganzen relativ große Verträglichkeit der Konkurrenz untereinander bei großer<br />
Übereinstimmung der Geschäftsgrundsätze, ausgiebiger täglicher Besuch der "Ressource",<br />
daneben je nachdem noch Dämmerschoppen, Kränzchen und gemächliches Lebenstempo....." 174<br />
„Irgendwann nun wurde diese Behaglichkeit plötzlich gestört, und zwar oft ganz ohne daß dabei<br />
irgendeine prinzipielle Änderung der Organisationsform - etwa Übergang zum geschlossenen<br />
Betrieb, zum Maschinenstuhl und dgl. - stattgefunden hatte. Was geschah, war vielmehr oft<br />
lediglich dies: daß irgendein junger Mann aus einer der beteiligten Verlegerfamilien aus der Stadt<br />
auf <strong>das</strong> Land zog, die Weber für seinen Bedarf sorgfältig auswählte, ihre Abhängigkeit und<br />
Kontrolle zunehmend verschärfte, sie so aus Bauern zu Arbeitern erzog, andererseits aber den<br />
Absatz durch möglichst direktes Herangehen an die letzten Abnehmer: die Detailgeschäfte ganz in<br />
die eigene Hand nahm, Kunden persönlich warb, sie regelmäßig jährlich bereiste, vor allem aber<br />
die Qualität der Produkte ausschließlich ihren Bedürfnissen und Wünschen anzupassen, ihnen<br />
mundgerecht zu machen wußte und zugleich den Grundsatz billiger Preis, großer Umsatz<br />
durchzuführen begann.....Eine Flut von Mißtrauen, gelegentlich von Haß, vor allem aber von<br />
moralischer Entrüstung stemmte sich regelmäßig dem ersten <strong>Neue</strong>rer entgegen, oft...begann eine<br />
förmliche Legendenbildung über sein Vorleben..." 175<br />
Beispiel Ludwig Richter: "Bürgerstunde", 1861 "Der Abend dämmerte bereits, als ich in die engen holprigen<br />
Gassen trat. Die Häuser mit den hohen, spitzen Giebeln, die Stockwerke immer <strong>das</strong> darüberliegende überragend,<br />
altertümliche Schilder und Innungszeichen, gotische Kapellen und Kirchen, aber selten ein Paar <strong>Menschen</strong> in den<br />
Gassen, alles so still in dieser Dämmerstunde. Ich glaubte, plötzlich ins Mittelalter versetzt zu sein, besonders als<br />
ich in die Herberge trat. Eine kleine gotische Türe, zwei Stufen abwärts in den Hausflur zu steigen, die Gaststube<br />
ein niedriger kleiner Raum mit kleinen Fenster und runden Scheiben. An den Tischen saßen einige Männer mit<br />
Kleidern, die auch aus Großvaters Zeiten zu sein schienen...."<br />
Der Traditionalismus war in England und Frankreich vielleicht nicht ganz so zäh, wie im traditionell<br />
zersplitterten Deutschland, vor allem war in Frankreich und England früher und nachhaltiger von<br />
Seiten des Zentralstaates bekämpft worden. In Preußen im besonderen und in Deutschland im<br />
allgemeinen waren die Wunden des Übergangs zum industriellen Wirtschaften noch frischer und<br />
unvernarbter und <strong>das</strong> Wühlen in diesen Wunden versprach mehr Erfolg. Speziell in Preußen kam zu<br />
diesem allgemeinen Antikapitalismus die Glorifizierung des altpreußischen Geistes hinzu, der<br />
unzweideutig vom Kasernenhof stammte.<br />
Ständische Parteien in einer berufsständischen Republik<br />
"Die Mediatisierung des Parteiensystems durch einflußreiche Verbände war bereits ein<br />
Kennzeichen der Kaiserzeit; die Handlungs- und Koalitionsfähigkeit der Parteien war dadurch<br />
empfindlich beeinträchtigt."<br />
Diese Feststellung verband Hans Mommsen in "Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar" mit<br />
der scharfsichtigen Bemerkung, daß der Organisationsgrad der Berufs- und Interessenverbände im<br />
Weltkrieg erheblich zugenommen hatte. Natürlich hatte der Organisationsgrad der Berufs- und<br />
Interessenverbände zugenommen, in einer Zeit, in der die Berufs- und Interessenverbände endgültig<br />
zu kriegswirtschaftlichen Zwangsorganisationen ausgebaut wurden.<br />
Mit Mediatisierung des Parteiensystems meint Mommsen den Verlust des unmittelbaren Wirkens der<br />
Parteien, ihres Eigenlebens. Statt dessen wurden die Parteien zu Transmissionsriemen von<br />
Interessenverbänden. Besonders ausgeprägt war <strong>das</strong> bei den landwirtschaftlichen Interessenparteien<br />
wie Konservativen, Landbund, Konservativer Volkspartei und regionalen Bauernparteien der Fall. Sie<br />
174 Max Weber: Religionssoziologie I, S. 51 ff<br />
175 Max Weber: Religionssoziologie I, S. 51 ff<br />
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