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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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sozialistischen Gang. Das soll im folgenden an Phänomenen wie der Freigeldbewegung, der<br />

„Weltbühne“, der Publizistik von Georg Lukacs und der „Linkskurve“ gezeigt werden.<br />

Selbstverständlich ist <strong>das</strong> nur ein Ausschnitt: Betrachtungen über den „Kladderadatsch“, den<br />

„Simplicissimus“ und den „Kunstwart“ würden <strong>das</strong> Bild zwar abrunden, die Folgerungen wären jedoch<br />

keine grundsätzlich anderen.<br />

Auf der Leuchtenburg wurde 1925 ein Workshop Freiland – Freigeld – Freikultur veranstaltet, bei dem<br />

nichts obskurantistisches fehlte, was die Jugendbewegung ausgebrütet hatte. Muck Lamberty hatte es<br />

so ausgedrückt: „Besinnt Euch! Unser Volk muß untergehen, wenn die Jungen und Junggebliebenen<br />

nicht aufstehen und an sich arbeiten. Wir wollen in den Tagen, die wir bei Euch sind, mit Euch leben<br />

und kämpfen gegen Vergnügungen aller Art, die die Jugend ausbeuten an Leib und Seele aus<br />

Geldinteressen, und rufen Euch auf, die Tage mit uns zu verbringen in rechter Fröhlichkeit.“ Vor und<br />

nach dem Weltkrieg hatte er sich mit Experimenten beschäftigt, <strong>das</strong> verhaßte Geld aus dem Verkehr<br />

zu ziehen.<br />

Eine Lösung könnten Tauschläden sein, die er in nietzscheanischer Manier „Umwertungsläden“<br />

nannte, mit einer Produktpalette, die den sozialromantischen Reiz von Dritte-Welt-Läden ausmacht:<br />

„Freunde der guten Sache, klare und rare Köpfe, werden in der Stadt eine Umwertungsstelle<br />

schaffen, einen Laden mieten und wenn möglich später einmal ein ganzes Häuslein kaufen oder<br />

bauen, wo die fertigen Arbeiten unserer jungen und junggebliebenen Handwerker sich<br />

zusammenfinden. Ausstellung und Verkauf durch die Handwerkergemeinschaft. Dort gibt es feine<br />

Töpfe, schöngebundene Bücher, Lauten, guten Schmuck, rechten Hausrat, herrliche Drucke und<br />

Steinzeichnungen, fertige Kittel und Gewänder, handgewebte Stoffe, ja sogar Lichterkränze für die<br />

guten deutschen Stuben statt Blechleuchter der närrischen Welt vor dem Kriege. In der<br />

Umwertungsstelle werden wiederum <strong>Menschen</strong> unserer Art ge<strong>braucht</strong>: Kaufleute, praktische<br />

<strong>Menschen</strong>, Mädchen, Schreiberlein, Arbeiter, Gehilfen. So wird allen im Sinne der Gesundung und<br />

der Erstarkung eine Lebensmöglichkeit geboten, so daß sie auch in der Arbeit so denken und sich<br />

geben können, wie sie es sicherlich jetzt möchten." 338<br />

Lamberty´s Umwertungsläden waren nur Kinkerlitzchen gegen die ganze organisierte Wucht der<br />

Freiland- und Freigeldbewegung. Diese Bewegung ging auf Anregungen von Silvio Gesell zurück.<br />

Gesell hatte um 1900 eine Wirtschaftstheorie erdacht, bei der <strong>das</strong> Geld monatlich um 1 % entwertet<br />

wird. Damit würde ein schneller Umlauf erzwungen und Sparen unattraktiv gemacht. Krisen würden<br />

damit unwahrscheinlicher, es würde ständig Hochkonjunktur herrschen. Die beiden wichtigsten<br />

Unterstützer wurden der Berliner Tischler Georg Blumenthal und der antisemitische<br />

Ernährungsreformer Gustav Simons, der die Gartenstadt Eden bei Oranienburg mitgegründet hatte.<br />

1909 hatte Blumenthal die „Physiokratische Vereinigung“ gegründet, die sich als politischphilosophische<br />

Erbin von Max Stirner verstand. Stirner war einer der Väter des Anarchismus und<br />

Blumenthal verfügte deshalb über gute Kontakte zum Anarchisten Gustav Landauer. Der Schöpfer<br />

des Vollkorn-Siemons-Brotes, Gustav Simons war die Scharnierperson zur Lebensreformbewegung<br />

und gehörte dem rassistischen „Orden des <strong>Neue</strong>n Tempels“ des Lanz von Liebenfels an. Auf der Burg<br />

des Ordens wehte schon seit 1907 die Hakenkreuzfahne. Es war ein Orden für blonde und blauäugige<br />

Männer, die sich zur Reinzucht verpflichten mussten. Gesell störte sich nicht an den Neigungen<br />

Simons. „Die Natürliche Wirtschaftsordnung kann nicht verdorben werden.“ So seine Meinung dazu.<br />

1911 zog Gesell selbst in die Gartenstadt Eden. Biologische Anbauweisen, Vegetarismus, FKK sollten<br />

in Gütergemeinschaft verwirklicht werden.<br />

„In zahlreichen Publikationen engagierte sich Richard Ungewitter für die Verbreitung der ›Nacktkultur‹, die er als<br />

Allheilmittel gegen den körperlichen und seelischen ›Niedergang‹ des modernen Großstadtmenschen<br />

propagierte. Gleichzeitig trat er für eine bewußte ›Rassenzüchtung‹ ein, da durch die christliche und sozialistische<br />

Verbrüderung eine gefährliche Mischung der Rassen entstanden sei. Die Skandinavier stellte er als einzige noch<br />

›reine Rasse‹ als Vorbild dar, die außerdem auch <strong>das</strong> ›Nacktbaden‹ kultivierten. Schon die Mischehen zwischen<br />

dem ›nordischen‹ und dem ›alpinen‹ <strong>Menschen</strong> hätten zum körperlichen ›Niedergang‹ geführt. »Aus Gründen der<br />

gesunden Zuchtwahl fordere ich deshalb die Nacktkultur, damit Starke und Gesunde sich paaren, Schwächlinge<br />

aber nicht zur Vermehrung kommen«, – so sei es laut Ungewitter schließlich schon bei den alten Germanen<br />

gewesen, die »neben ihrem Waffen- und Jagdhandwerk gleich den Hellenen <strong>das</strong> Nackttanzen zwischen<br />

Schwertern und Spießen« geübt hätten.“ (aus dhm.de)<br />

338 Flugblätter für jungdeutsche Siedlung, Herausgegeben und zu beziehen vom Verlag Jungborn zu Sontra in<br />

Hessen, 3. Blatt<br />

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