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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Treviranus durften nicht abgelehnt werden, wenn man sich nicht gegen die staatspolitischen<br />

Belange und gegen <strong>das</strong> deutschnationale Programm selbst versündigen wollte...“ 375<br />

Ein Begeitumstand des Erfolgs der NSDAP war auch die Wahl einer veränderten Ästhetik: Die<br />

Nationalsozialisten begannen die Arbeit und den Arbeiter in der Agitation positiv und sauber<br />

darzustellen, und nicht den Arbeiter als Opfer sowie die Arbeit als Quelle von Verelendung. Die Arbeit<br />

war Kraftquell, unabhängig vom Ecklohn.<br />

Den grauen Darstellungen der Arbeit wurde eine saubere Ästhetik entgegengesetzt. Auch hier galt:<br />

Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen. Es setzte sich langsam ein nationalsozialistischer<br />

Realismus durch.<br />

Die elendbefrachtete künstlerische Abstraktion in Grautönen wich dem schönen, glatten und<br />

kraftvollen Gegenständlichen. Mit dieser neuen glatten Ästhetik wurde der Durchmarsch in <strong>das</strong><br />

reformorientierte Lager der Mittelparteien eingeläutet, <strong>das</strong> Wahlergebnis von 1930 war erst der<br />

Beginn.<br />

Eine satte saturierte Gesellschaft kann sich graue Hemden und graue Bilder leisten, sie benötigt sie<br />

sogar als Ausgleich, um die mit dem Reichtum verbundenen Selbstzweifel zu verdrängen. Eine<br />

unzufriedene Gesellschaft hat diese Ästhetik irgendwann satt. Hitler begriff den ästhetischen Aspekt<br />

der Politik und er kümmerte sich um die Darstellung seiner Partei persönlich. Er entwarf die<br />

Standarten und die Uniformen der NSDAP, und er entwarf die Riten für seine Massenauftritte. Dafür<br />

entwickelte er höchste künstlerische Kompetenz.<br />

Neben dem kulturhistorisch-ästhetischen Phänomen der <strong>Neue</strong>n Sachlichkeit, <strong>das</strong> seit Mitte der<br />

Zwanziger Jahren auf der ästhetischen Gefühlsebene wirksam war und Teil einer Such- und<br />

Wechselstimmung war, kann man <strong>das</strong> Ergebnis der Reichstagswahl von 1930 auch auf einer<br />

politischen Gefühlsebene werten und erklären. Die ewigen Straßenschlachten zwischen<br />

Kommunisten, Eiserner Front und Nationalsozialisten nervten einerseits, andererseits waren die<br />

Nationalsozialisten im Wettbewerb um die kraftvollere Entfaltung des Straßenterrors erfolgreicher.<br />

Eine weitgehend entchristlichte und den Ideologien der natürlichen Auslese sowie des Kampfs ums<br />

Dasein verpflichtete Bevölkerung musste die strahlenden Sieger des schleichenden Bürgerkriegs<br />

attraktiver finden, als die ewigen Verlierer.<br />

Trotz des respektablen Wahlerfolgs der Elitaristen hatten die demokratischen Parteien noch die<br />

Mehrheit. Sie hätten nun wieder zusammenrücken können. Es gibt auch die Behauptung, daß die<br />

Aktionseinheit zwischen Sozialdemokraten und Stalinisten den Nationalsozialismus hätte verhindern<br />

können. Rein rechnerisch ging <strong>das</strong> jedoch nicht, wie die obige Tabelle zeigt, zumindest nicht in einem<br />

parlamentarischen System. Politisch funktionierte es schon gar nicht, da seitens der Stalinisten die<br />

politische Linie des Kampfes gegen den Sozialfaschismus erst auf der nächsten Kominterntagung<br />

1935 aufgegeben wurde.<br />

Gewinne und Verluste in den Ländern und Provinzen:<br />

Norddt. Länder SPD KPD DStP DVP NS Landv WP DNVP KVP<br />

CSVd<br />

Z/BVP Sonst.<br />

Anhalt - 4,4 + 3,1 - 1,9 - 8,2 + 17,5 + 5,7 - 0,2 - 10,5 - 1,1<br />

Braunschweig - 9,5 + 3,4 - 0,4 - 9,3 + 19,7 + 1,9 - 4,2 + 0,1 - 1,8<br />

Bremen - 8,4 + 1,9 - 3,9 - 2,2 + 10,9 - 2,1 - 0,6 + 3,3 + 1,0<br />

Hamburg - 4,8 + 1,2 - 3,1 - 4,6 + 16,6 - 0,1 - 8,6 + 2,8 - 0,1 + 0,7<br />

Lippe - 4,6 + 2,3 - 0,5 - 10,2 + 20,3 + 0,1 - 0,6 - 8,6 + 4,6 - 3,0<br />

Lübeck - 4,8 + 1,9 - 0,3 - 6,0 + 16,7 - 1,5 - 7,1 + 2,2 + 0,1 - 1,1<br />

Meckl.-Schwerin - 6,0 + 2,8 - 0,9 - 2,3 + 13,3 - 1,2 - 2,1 - 5,1 + 2,1 - 0,6<br />

Meckl.-Strelitz - 11,9 + 5,7 - 0,7 - 0,9 + 16,9 + 1,0 - 2,2 - 7,6 - 0,3<br />

Oldenburg - 4,7 + 1,6 - 4,4 - 4,8 + 19,1 - 1,4 - 1,1 - 3,6 - 0,6<br />

Sachsen - 4,2 + 1,9 - 0,9 - 5,2 + 15,6 - 1,3 - 1,1 - 4,8 + 2,5 - 2,1<br />

Schaumburg-Li - 3,9 + 1,3 - 0,2 - 4,3 + 17,5 - 2,1 - 0,8 - 8,2 + 2,5 + 0,1 - 4,6<br />

375 Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung<br />

Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zu Zeitgeschichte, Bd. 7, Berlin o.<br />

J., S. 357.<br />

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