Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik
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und die Erlangung von Auskünften von Beteiligten. Beschlüsse konnten beanstandet werden, wenn<br />
öffentliche Interessen gefährdet schienen. Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr und Geldstrafen bis<br />
500.000,- Mark konnten verhängt werden, wenn gegen Vorschriften des<br />
Reichswirtschaftsministeriums verstoßen wurde. 152<br />
Der Wirtschaftsverband für Rohteer und Teererzeugnisse sowie der Schwefelsäureausschuß folgten.<br />
1925 wurden der Halbzeugverband, der Röhrenverband, der Walzdrahtverband, der<br />
Grobblechverband, der Stahleisenverband und andere Syndikate neu formiert.<br />
Wie in der Industrie herrschten im Handwerk mittelalterliche Korporationen. Das öffentlich-rechtliche<br />
Innungswesen expandierte in der Weimarer Republik gegenüber dem Kaiserreich noch. 1926<br />
gehörten den Innungen eine Million Meister an, <strong>das</strong> waren 75 %. Im Vergleich mit 1913 hatte sich die<br />
Zahl der Innungsmitglieder verdoppelt, selbst gegenüber 1919 war sie um 300.000 angewachsen.<br />
Etwa 800.000 Meister waren Mitglieder von Zwangsinnungen, 200.000 von freiwilligen Innungen. Die<br />
Handwerkerorganisationen forderten die obligatorische Innung, die Preisfixierung und den Großen<br />
Befähigungsnachweis (der ihnen 1897 verweigert worden war, den sie von Adolf Hitler endlich<br />
bekamen und der noch heute in vielen Handwerken obligat ist). Warenhäuser und<br />
Konsumgenossenschaften sollten verboten werden und ein berufsständisches Wirtschaftsparlament<br />
wurde herbeigesehnt. Die Weimarer Zeit führte zu einem höheren Organisationsgrad, die<br />
handwerkspolitischen Früchte der Agitation wurden in den dreißiger Jahren abgeerntet, und zwar<br />
konkret nach 1933.<br />
Im Dezember 1919 wurden die Außenhandelsstellen geschaffen, am 20. Februar 1920 tagte erstmals<br />
der Wirtschaftrat, der am 4. Mai 1920 als Reichswirtschaftsrat installiert wurde. Im September 1923<br />
wurde ein Kommissar für Devisenerfassung ernannt. Devisenzwangswirtschaft gab es vom Beginn der<br />
Weimarer Republik bis zum November 1924 und ab dem 15.7.1931.<br />
Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise wurde am 17.7.1930 <strong>das</strong> Brotgesetz erlassen. Bereits im<br />
Herbst 1929 wurde durch den Landwirtschaftsexperten der SPD, Fritz Bade, der zum<br />
Reichskommissar für die Roggenwirtschaft eingesetzt wurde, angestrebt, durch Stützungskäufe den<br />
Roggenpreis zu stabilisieren. Als Leiter der Reichsgetreidestelle ließ er Hunderttausende Tonnen<br />
Roggen aufkaufen, bis im März 1930 <strong>das</strong> Geld für die Aufkäufe alle war. Um den Roggen als<br />
Futtermittel wieder loszuwerden wurden die Zölle auf Mais und Gerste auf schwindelnde Höhen<br />
getrieben. Nachdem alles nichts half und man weiter auf dem Roggen sitzen blieb, wurde durch<br />
Reichsernährungsminister Dr. Schiele (DNVP) der staatliche Verwendungszwang von Roggen bei der<br />
Brotherstellung eingeführt. Bereits am 4. Juli 1929, noch unter dem Ernährungsminister Hermann<br />
Dietrich (DDP) waren die Mühlen verpflichtet worden, deutschen Weizen auszumahlen. Der<br />
Importweizen wurde bis 1932 auf 3 % zurückgefahren. Um den Zuckerpreis hoch zu halten wurde die<br />
deutsche Zuckerindustrie zwangskartelliert und die "Wirtschaftliche Vereinigung der deutschen<br />
Zuckerindustrie" geschaffen. Der mit staatlichen Zwangsmaßnahmen künstlich erhöhte Zuckerpreis<br />
führte zu Absatzschwierigkeiten, die den Abbau des Zuckerberges verzögerten.<br />
Die Regierung Müller (SPD) hatte am 26. März 1930 <strong>das</strong> Reichsmaisgesetz erlassen, der neu<br />
geschaffenen Reichsmaisstelle mußte ab dem 1. April 1930 der gesamte importierte Mais angeboten<br />
werden. Die Reichsmaisstelle kaufte den Mais billig für etwa 125,- RM/t ein und verkaufte ihn für 240,-<br />
bis 270 RM/t teuer, um den Mais im Verhältnis zum einheimischen Roggen zu benachteiligen. Das<br />
Kapital der Reichsmaisstelle mußte zu 65 % vom Verband der Getreide- und Futtermittelhersteller<br />
aufgebracht werden, zu 35 % von den landwirtschaftlichen Genossenschaften. Die Wirtschaft mußte<br />
ihre Entmachtung selbst bezahlen. 153<br />
Während sich die Landwirtschaftsbürokratie mühte, malte Fidus 1930 die „Spatenwacht“. Als die Russen 1945 in<br />
Fidus Atelier eindrangen, nahmen sie die Helme vor dem Bild ab, weil sie dachten, es handle sich um eine<br />
Kolchosfeier. Anfrage an Radio Jerewan: „Stimmt es, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Getreide in der Sowjetunion so hoch wächst, wie<br />
Telegraphenmasten?“ „Im Prinzip ja. Die Abstände sind sogar noch größer.“<br />
Zahlreiche Verordnungen für die Verwendung von bestimmten Produkten folgten: der<br />
Beikirnungszwang für Margarine, der Beimälzungszwang für Brauereien, der Beizellungszwang für<br />
152<br />
M. Nussbaum, Wirtschaft und Staat in Deutschland während der Weimarer Republik, Akademie-Verlag, Berlin,<br />
1978, S. 67 f.<br />
153<br />
M. Nussbaum, Wirtschaft und Staat in Deutschland während der Weimarer Republik, Akademie-Verlag, Berlin,<br />
1978, S. 349 ff.<br />
105