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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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„dunklen Hintergrund der Seelen einen Raum, der gar nicht elektrisch beleuchtet werden will, der<br />

sich gar nicht regeln lassen will, den Raum der verlorenen Leidenschaften und Urgefühle. Aus<br />

diesem Raum steigen Seufzer, Gelächter, Heulen und Gekicher, wortlose und gedankenlose Laute<br />

verworrenster Art auf, ein Chor der gewesenen Jahrtausende drunten in der Nacht der Einzelseele.<br />

Diesen Untergrund hat keine Aufklärungskanalisierung trockenlegen können...“<br />

Die Zeit war um 1900 reif, auch die oscura parte della anima, die dunkle Seite der Psyche zu<br />

durchforsten.<br />

Bereits Ellen Key war 1899 davon ausgegangen, <strong>das</strong>s dem Kinde mit der Geburt ein festgefügtes<br />

starkes Wesen innewohne, welches durch die Erziehung in seinem Wuchse nicht gestört werden<br />

solle. Fidus hatte dem breiten Publikum bereits ein Jahr zuvor einen Blick ins Seelenland ermöglicht.<br />

1900 erreichte Sigmund Freud´s Buch „Die Traumdeutung“, die Buchläden und Bibliotheken, welches<br />

der Auftakt der psychoanalytischen Diskussion war. 1910 hatte er sein Werk „Über Psychoanalyse“<br />

veröffentlicht, welches die deutliche Unterscheidung einer geräumigen, aber unbewussten geistigen<br />

Unterwelt, für welche er den Schlüsselbund suchte, und eines engen bewussten Oberstübchens<br />

enthielt. 1923 hatte Freud sein 3-Instanzen-Modell fertiggestellt und veröffentlichte „Das Ich und <strong>das</strong><br />

Es“. Er unterschied nun 3 Instanzen der Seele: Das Es, <strong>das</strong> Ich und <strong>das</strong> Über-Ich: 309<br />

• Dabei tritt <strong>das</strong> Es an die Stelle des Unbewussten. Es bildet <strong>das</strong> triebhafte Element der Psyche<br />

und kennt weder Negation, noch Zeit oder Widerspruch. Das Es ist von Anfang an vorhanden,<br />

es ist angeboren. Außerdem ist es dem Bewusstsein nicht möglich, darauf zuzugreifen.<br />

• Das Ich: Randgebiet des "Es";<br />

o Denken, Erinnern, Fühlen, Ausführen von Willkürbewegungen;<br />

o Vermittler zwischen impulsiven Wünschen des ES und dem Über-Ich;<br />

o sucht nach rationalen Lösungen<br />

o ist zum größten Teil bewusst<br />

• Das Über-Ich:<br />

o "Gewissen"<br />

o moralische Instanz, Wertvorstellungen<br />

o Gebote und Verbote der Eltern dienen als Vorbild<br />

o Vorstellungen von Gut und Böse<br />

o der Gegenpart zum Es<br />

Das Ich und <strong>das</strong> Über-Ich entstehen aus dem Es. Die verdrängenden Vorstellungen werden dem<br />

Über-Ich zugeschrieben. Es ist ein Teil des Ich und beurteilt die Gedanken, Gefühle und Handlungen<br />

des Ich.<br />

In Freuds Drei-Zonen-Theorie der Psyche überwiegt dem Zeitgeist angepasst <strong>das</strong> biologisch<br />

vorgegebene, <strong>das</strong> aus dem Mutterleib mitgebrachte, welches nicht mehr zu ändern ist. Das unbändige<br />

Rauschen der Natur, die relative Ohnmacht des menschlichen Strebens wurde nun auch in der<br />

Psyche diagnostiziert. Freud bezog eine recht extreme Position und vertrat die Ansicht, <strong>das</strong>s ca. 80-90<br />

% der menschlichen Entscheidungen unbewusst motiviert sind und nur ein geringer Teil „sichtbar“ ist.<br />

Für die Erziehungswissenschaft einerseits und die Suche nach dem <strong>Neue</strong>n <strong>Menschen</strong> hatte <strong>das</strong><br />

Konsequenzen. Bereits Nietzsche war von einem kriegerischen Ausleseprozess ausgegangen, der<br />

zum Übermenschen führe und so hatten seine Jünger zunächst unbelastet von jeglichen<br />

psychologischen Vorkenntnissen nicht von Basedow´schen Schulinstituten und Klassenarbeiten,<br />

sondern von Blutbädern und Reinigungskriegen geträumt, in denen <strong>das</strong> Schwache abgemurkst<br />

werden würde. Nun bekamen diese Phantasien, die „aus dem Bauch heraus“ entwickelt worden<br />

waren, ihre wissenschaftliche Fundamentierung. Erziehung oder gar Umerziehung hatten pointierend<br />

zugespitzt keinen übermäßigen Wert, da man vermeintlich ohnehin nur an 10 bis 20 % des Gehirns<br />

herankam. Die restlichen 80 bis 90 % eines <strong>Menschen</strong> zu erziehen, war angeblich nicht möglich.<br />

Hillers logokratische Forderungen nach Wiederherstellung der Rangordnung, nach Herrschaft von<br />

Eliten ohne Beigabe eines Bildungsprogramms für die etwas breiteren Massen war die Kehrseite<br />

dieser zeitgenössischen Vorstellungen.<br />

309 wikepedia, Sigmund Freud, Stand 15.02.2005<br />

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