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Band 4 - m-presse

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234 Viertes Buch. Sechster Abschnitt<br />

allgemeinen Frieden auf Erden herstellen; der Verfasser dürfte einwenden,<br />

die Wahrheit des geläuterten Monismus sei 1914 im Anmarsch gewesen,<br />

aber noch nicht siegreich, noch nicht wirksam. Ich muß mich vielmehr mit<br />

dem Monismus Ostwalds und seiner zahlreichen Gefolgschaft anders, auf<br />

einem niedrigeren Boden auseinandersetzen, als ich es früher mit dem<br />

philosophischen Begriffe Monismus versucht habe.<br />

Monismus Damals galt es, sprachkritisch die Unhaltbarkeit des Schlagwortes<br />

darzutun, das durch ein leeres Wort den dualistischen Instinkt zu überwinden<br />

glaubte, das dem religiösen Dogma das materialistische Dogma<br />

von einer einzigen Ursache und einer einzigen Substanz gegenüberstellte;<br />

ich mußte hart sein gegen Haeckel, den Agitator des dogmatischen Materialismus,<br />

den allzu konsequenten Darwinisten, der immer kläglich versagte,<br />

wenn er sich im Irrgarten der Philosophie verlief. Jetzt und hier habe ich<br />

es nicht mit der Analyse von Begriffen zu tun, sondern mit der geringeren<br />

historischen Aufgabe: welche Gestalt hat der Atheismus in der Gegenwart<br />

angenommen, welche Form findet heute ein halber Philosoph und ganzer<br />

Volksführer für einen Katechismus, der dem Bedürfnisse von Tausenden<br />

oder vielleicht Hunderttausenden genügen kann und soll. Dazu kommt,<br />

daß Ostwald, der seit einigen Jahren die Leitung des deutschen Monistenbundes<br />

übernommen hat, zum Heile dieses Vereins eben — wie gesagt —<br />

ein besserer Kopf ist und ein zielbewußterer Politiker, als Haeckel jemals<br />

war; sachlicher, eitelkeitsfreier. Der Monistenbund ist geschichtlich eine<br />

Macht geworden, die, wenn sie im Kampfe gegen eine Staatskirche Erfolg<br />

haben soll, wie jede andere Macht weltlich organisiert werden muß; da<br />

ist es ganz gut, wenn der Führer einer solchen ecclesia militans kein weltfremder<br />

Denker ist, sondern anpassungsfähig, allgemeinverständlich,<br />

meinetwegen auch gemeinplätzig wie irgendein anderer Kirchenfürst.<br />

Als Philosoph der Energetik und des energetischen Imperativs fordert<br />

Ostwald die Kritik heraus; als Agitator des Monistenbundes macht er seine<br />

Sache ganz vortrefflich.<br />

Sein Katechismus "Religion und Monismus" ist also als politische oder<br />

staatsmännische Schrift zu bewerten. Sie geht davon aus, daß das Christentum,<br />

nachdem es einst Bedeutendes geleistet hat, gegenwärtig für Moral<br />

und Leben unzulänglich geworden ist. Der Hinweis auf die Buddhisten,<br />

die angeblich auf dem Boden einer wissenschaftlichen oder monistischen<br />

Weltanschauung stehen sollen, ferner der Hinweis auf die Statistik, nach<br />

welcher die außerhalb einer Kirche bleibenden Menschen die besseren<br />

Menschen wären, freut mich, scheint mir aber dennoch recht bedenklich;<br />

doch es läßt sich nicht leugnen, daß die große sozialdemokratische Welle<br />

der letzten Jahrzehnte die Welt ohne Christentum zu erneuern hofft, "daß<br />

Monismus 235<br />

die Kirche an sämtlichen Stellen versagt und nirgendwo mehr dem Kulturbedürfnis<br />

der Menschheit genügen kann" (S. 26). Die Kirche hat durch die<br />

Wissenschaft ersetzt zu werden; und die Wissenschaft (die auch sonst als<br />

gleichbedeutend mit Monismus gesetzt wird) besitzt erst die verbindende<br />

Kraft, die der alten Kirche naturgemäß fehlte. „Während die Religionen<br />

immer zur weiteren und weiteren Trennung der Kirchen und nie zu ihrer<br />

Einigung führen, ist es mit der Wissenschaft umgekehrt; sie führt unwiderstehlich<br />

auf eine letzte große Synthese hinaus" (S. 29). Mit Recht wird daran<br />

erinnert, daß der liberale Protestantismus, der seine Religion zu einem<br />

Erlebnisse der inneren Erfahrung oder zu einem Gefühl macht, aber den<br />

Glauben an einen liebenden Vater im Himmel nicht preisgibt, eine Halbheit<br />

ist; die Religion wird da zu einem persönlichen Ereignisse, in Wahrheit<br />

zu einer Privatangelegenheit, und verliert so die Kraft zur Gemeindebildung;<br />

mir ist es nur fraglich, ob der Monismus nicht noch weniger gemeindebildende<br />

Kraft besäße, wenn er nicht den Armen am Geiste mit<br />

seinen materialistischen Dogmen entgegenkäme.<br />

Nach einer ungenauen und irreführenden Berufung auf Comtes<br />

Einteilung in das theologische, das metaphysische und das positive Zeitalter<br />

wird treffend festgestellt, daß in Deutschland die Naturwissenschaft<br />

bereits auf der dritten Stufe angelangt ist, die Philosophie erst auf der<br />

zweiten, während die Schule noch auf der ersten Stufe festgehalten wird.<br />

(Auf die zeitweilige Schrulle Ostwalds, die gesamte Gegenwart durch<br />

eine internationale Hilfssprache, und zwar durch Ido, auf die dritte Stufe<br />

zu heben, möchte ich nicht eingehen; das Mittelalter gerade besaß an seinem<br />

Latein ein solches Volapük und blieb dennoch in Naturwissenschaft und<br />

Philosophie auf der untersten Stufe.)<br />

Der Monismus will also alle Religionen mit ihren verschiedenen<br />

kirchlichen Formen allmählich verschwinden lassen und sie durch eine wissenschaftliche<br />

Organisation mehr als ersetzen. Da erhebt sich nun die psychologische<br />

Frage, ob der Monismus ein gewisses gemütliches Bedürfnis befriedigen<br />

könne, ob "dem Volke die Religion nicht erhalten" werden solle. Die<br />

Revolutionen, welche gegen die Religionen gerichtet waren, sind immer<br />

negierend, zerstörend gewesen; nicht nur die Frommen, auch freie Geister<br />

wünschen, vielleicht in einer metaphysischen Rückständigkeit, irgend welche<br />

aufbauende Grundsätze, gegen die Gefahr des Auseinanderfallens bindende<br />

Ideen. Da stimmt nun Ostwald ein hohes Lied zum Ruhme des Monismus<br />

an. Die monistische Wissenschaft habe durch ihre Einsicht in das Walten<br />

der Naturgesetze, durch ihre Unterwerfung unter die Logik eine bindende<br />

Tendenz, die Freiheit oder Willkür der Weltgestaltung einzuschränken,<br />

unter der Herrschaft der Naturgesetze ein Maximum der Lebensfreude

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