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Band 4 - m-presse

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66 Drittes Buch. Dreizehnter Abschnitt<br />

gänzliches Verbot atheistischer Äußerungen dem Endzwecke des Staates<br />

nicht gemäß wäre. Der Staat könne die Atheisten nicht verfolgen, ohne<br />

gerade den Besseren unter ihnen wehe zu tun und die Schlimmsten frei<br />

ausgehen zu lassen. Auch sei die Durchführung einer polizeilichen Inquisition<br />

gegen atheistische Schriften in der modernen Welt undurchführbar.<br />

Er persönlich habe aber (dahin geht seine sachliche Verantwortung)<br />

nur geleugnet, daß man das Dasein Gottes wissen könne; so eine Lehre<br />

müsse nicht atheistisch sein. Man kann sie so nennen, wenn man will;<br />

man muß aber nicht. Das Dasein Gottes läßt sich glauben, läßt sich<br />

aber nicht wissen. So dachten auch überzeugte Deisten. Der theoretische<br />

Glaube an Gott ist keine religiöse Pflicht. Der Weltlauf spricht nicht für<br />

das Dasein des Gottes der positiven Religionen. Daß es im Weltlauf<br />

recht zugehen müsse, ist nur ein Wunsch, eine Hoffnung, aber keine Forderung<br />

(gegen Kants Postulat der praktischen Vernunft). Der Glaube<br />

an den Gott der Theologen ist keine Religion, sondern eine spekulative<br />

Theorie.<br />

Schon vorher hat Forberg behauptet, daß der Atheismus der Sittlichkeit<br />

nicht gefährlich werden könne. Das Moralprinzip aller positiven Religionen<br />

ohne Ausnahme ist gar zu sehr dem Mißbrauche ausgesetzt. "Wer<br />

fällt, wenn er Gott verliert, der hat noch nie gestanden."<br />

Forberg ist sich der Tragweite seiner oder Kants*) Fiktionenlehre (als<br />

o b es einen Gott gäbe) gar wohl bewußt; er sagt es nicht so geradezu, aber<br />

er meint es so: der Hang der menschlichen Vernunft zur Spekulation führt<br />

allein zur Theologie, zur Theorie vom Dasein eines Gottes (S. 131).<br />

Mit voller Überlegenheit lacht er über die Aufregung, die die letzten Seiten<br />

seiner Abhandlung, die ironischen verfänglichen Fragen, hervorgerufen<br />

hatten, besonders der Gedanke, daß er mit seinem Begriffe eines bloß<br />

praktischen Glaubens nur gespielt habe. Er beruft sich da schon auf die<br />

Stelle, an welcher Kant Gott und Unsterblichkeit als Fiktionen hinstellte.<br />

Warum soll man mit solchen Begriffen nicht spielen dürfen? Es gibt wie<br />

immer zweierlei Spieler: solche, die mit dem Spiele spielen, und solche,<br />

mit denen das Spiel selbst spielt. Betrüger vielleicht und betrogene Betrüger.<br />

Beide Klassen würden übrigens einmütig versichern, es sei ihnen<br />

beständig völliger Ernst gewesen. Er habe mit der verfänglichen Frage<br />

vom Spiele doch nur raten wollen, seine Theorie in die Debatte zu werfen,<br />

als ob sie ein bloßes Spiel wäre (S. 181). Wer aber über gewisse Dinge<br />

nicht lachen und auch nicht lachen sehen kann, tue besser, das Philosophieren<br />

ganz zu lassen und — in die Kirche zu gehen und zu beten. Ich glaube, man<br />

*) Den Streit um Kants "Als-ob-Philosophie" und um sein Opus postumum habe<br />

ich oben (S. 32 ff.) ausführlich genug behandelt.<br />

Forbergs Atheismus 67<br />

kann das Bekenntnis zum Atheismus leicht gröber vortragen, aber kaum<br />

feiner. Das ist nicht mehr die Aufklärung des 18. Jahrhunderts, das ist<br />

der Agnostizismus unseres Geschlechts. Wäre ein Gott, wie Forberg<br />

wünscht, aber nicht weiß, so würde der Agnostiker ausrufen: "Ewiges<br />

Wesen, ich habe dich gesucht und nicht gefunden. Mein Gewissen war mir<br />

mein Gesetz. Richte mich nach meinen Taten" (S. 29).<br />

Forberg ist in Religionsfragen ein treuer Schüler von Kant; doch noch<br />

fester steht er zu der Rücksichtslosigkeit von Lessing und zu dem abgründigen<br />

Zweifel von Hume. In der Welt, wie sie ist, finde sich kein Hinweis auf<br />

eine moralische Ordnung. Alle Reformatoren haben nur ein Symbol<br />

durch ein anderes Symbol zu verbessern gesucht; zu einem Bilde des unbekannten<br />

Gottes ist keiner gelangt. Auf dem Boden der Theologie gibt<br />

es überall keine Entdeckungen zu machen. Die Menschen sind vom Fetischismus<br />

zum Monotheismus fortgeschritten, doch anthropomorphisch<br />

bleibt jede Vorstellung von Gott. Die Lehre Feuerbachs wird wieder<br />

einmal vorweggenommen. „In seinen Göttern malt sich der Mensch."<br />

Der "gute Ton", der gegenwärtig unter den Geschichtschreibern der<br />

Philosophie herrscht, hat also auch die kleine Wirkung gehabt, daß der<br />

Schulrektor Friedrich Karl Forberg, der einzige aufrechte Atheist in<br />

dem Streite Fichtes von 1799, wie ein räudiges Schaf behandelt (mit<br />

Ausnahme von Vaihinger) und höchstens, halb mit Erbarmen, als ein<br />

kleiner Schüler Fichtes ein wenig gelobt wird. Unzweifelhaft ist es, daß<br />

dieser Forberg der Katze die Schelle umgehängt hatte; nachher aber war<br />

fast nur noch von Fichte die Rede, weil es den Gegnern wirklich darum zu<br />

tun war, in dem Universitätsprofessor womöglich die ganze kritische Philosophie<br />

zu treffen (und den Demokraten Fichte dazu), und weil Fichte<br />

sowohl in dem einleitenden Aufsatze "Über den Grund unsers Glaubens"<br />

als auch im Verlaufe des Prozesses recht tapfer und fast uneigennützig für<br />

Forberg eingetreten war. Man sieht, ohne Forbergs Drängen wäre<br />

Fichte auch in diesem Falle nicht dazu gekommen, sein Bekenntnis zu<br />

einem —ich möchte sagen: anodynen —Atheismus auszusprechen. Das<br />

Bekenntnis Forbergs aber, in einer unverschulten Sprache geschrieben, ist<br />

unzweideutig. Daraufhin ist es noch einmal anzusehen, und noch genauer,<br />

besonders die "Entwickelung des Begriffs der Religion".<br />

Ich scheue den Vorwurf nicht, mich zu wiederholen, wörtlich sogar;<br />

ich muß aber noch deutlicher als bisher herausstellen, was der Als-ob-<br />

Gedanke des bescheidenen Schulmeisters Forberg zu bedeuten gehabt<br />

hätte, wenn er zu Ende gedacht worden wäre. Hilfsbegriffe, Fiktionen<br />

sind die Dinge, um die man theologisch zankt: Gott, Freiheit, Unsterblichkeit.<br />

Der Grundgedanke der Als-ob-Philosophie von 1911 war da

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