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Band 4 - m-presse

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114 Viertes Buch. Zweiter Abschnitt<br />

in der Schulfrage, hätte schwerlich seine Zustimmung gefunden. Marx<br />

war persönlich ein atheistischer Sozialist.<br />

Es ist kein Zufall, noch weniger ist es ein Zeichen teuflischer Bosheit<br />

der Juden, daß der kalte, theoretische, konsequente Sozialismus der deutschen<br />

Sozialdemokratie, insbesondere auch die weltfremde und oft wirklich<br />

antinationale Verstiegenheit in der deutschen Revolution von 1918 vielfach<br />

das Werk jüdischer Männer und Frauen war; Marx und Lassalle, die das<br />

Christentum nur von außen kannten, assimilierte Juden also, waren ja<br />

vorausgegangen. Und auf diesen Unterschied zwischen dem Kommunismus<br />

oder meinetwegen (weil dieser Begriff durch den Kommunismus des<br />

dummen Kerls diskreditiert worden ist) Kollektivismus der Gegenwart und<br />

älteren, ketzerisch christlichen Strömungen ähnlicher Art muß ich noch mit<br />

einigen Worten hinweisen. Das angebliche Urchristentum darf ohne eine<br />

geschichtliche Fälschung nicht kommunistisch genannt werden; Nächstenliebe,<br />

Charitas ist beileibe nicht Kommunismus; nur der Besitzende kann wohltätig<br />

sein. Wohl aber stellten sich Ketzer späterer Zeit das Urchristentum<br />

so vor, und diese Vorstellung genügte, um die ökonomische Gleichheit<br />

immer wieder zu einer Forderung der Ketzergemeinschaften zu machen.<br />

Auch die Einrichtung vieler geistlicher Orden, die den Mitgliedern individuellen<br />

Besitz verweigerte, um die Gesamtheit des Ordens um so reicher<br />

zu machen, sollte nicht, als asketischer Kommunismus, unter den Begriff<br />

des Kommunismus gefaßt werden; mit dem gleichen Rechte könnte man<br />

die früheren Feudalherren und die späteren Kapitalisten, die nur die<br />

Standesgenossen bereichern und die änderen Menschen zu Lohnsklaven<br />

machen wollten, Kommunisten nennen.*) Womöglich noch weniger war<br />

die Weltmacht des Papsttums und das Zusammenströmen alles Reichtums<br />

in der „toten Hand" etwas dem Kommunismus ähnliches; der Staatsozialismus<br />

darf keine tote Hand haben. Immer waren es arme Leute,<br />

poverelli, die für ihre Gruppe, also doch wieder egoistisch, den Kommunismus<br />

als eine Lehre Christi aufstellten und oft recht räuberisch durchzuführen<br />

suchten: Liebe zu den nächsten Armen, Haß gegen die fremden Reichen.<br />

So vielleicht bereits die afrikanischen Zirkumzellionen des 4. und 5. Jahrhunderts,<br />

so im 11. Jahrhundert die Waldenser und andere Sekten, so die Anhänger<br />

des Joachim von Fiore, so im 13. Jahrhundert Jakob von Maerlant<br />

in seiner Dichtung "Wapene Martijr", so alle die Schriften und Aufstandsbewegungen,<br />

die mit dem radikaleren Hussitismus, der Reformatio Sigis­<br />

*) Vollends den Jesuitenstaat von Paraguay für den kommunistischen Versuch eines<br />

Staatsideals auszugeben, geht nach den Untersuchungen von Gothein (1883) wirklich<br />

nicht mehr an; ein kapitalistischer Orden, der sich christlich nannte, beutete da die "Wilden"<br />

aus, im Namen Jesu.<br />

Christentum und Kommunismus 115<br />

mundi und dem Bauernkriege zusammenhängen. Erst die Entdeckung des<br />

Naturrechts und des irdischen Menschenstaates durch die Renaissance —<br />

die mit der Entdeckung der Naturgesetze parallel ging — entzog dem kommunistischen<br />

Ideale langsam die christliche Unterlage. Die Utopien von<br />

Thomas Morus, von Campanella, von Bacon (um hier nur die bekanntesten<br />

zu nennen) sind unchristliche Staatsromane, in denen Gott und Christus<br />

eigentlich nur noch fremde Gäste sind. Vollendet wird diese Abkehr der<br />

kommunistischen Lehren erst durch die große französische Revolution, die<br />

denn auch den Gott absetzte und das Christentum abschaffte. Die Bergpartei<br />

versuchte in ihrem manifeste des égaux mit der Gleichheit Ernst zu<br />

machen, und Marat war nur konsequent, wenn er die Gewährleistung des<br />

individuellen Eigentums aus der Verfassung streichen wollte: „Die Gleichheit<br />

der Rechte verlangt logisch die Gleichheit der Genüsse, und erst so kann<br />

das Denken zu Ruhe kommen." Aber Rückfälle in eine Versöhnung von<br />

Christentum und Sozialismus haben bis in die Gegenwart nicht aufgehört.<br />

Bis fast in die Gegenwart, an die ich jetzt — absichtlich vorgreifend —<br />

mahnend erinnern will. Auf dem Boden eines deutschen Sprachstamms,<br />

fern von den Stürmen der Revolution, fern auch von den Träumereien<br />

aller Utopisten, hat erst vor dem Weltkriege (1903) der Österreicher Anton Menger<br />

Menger seine "Neue Staatslehre" herausgegeben, die dann recht gut zu<br />

einem Leitfaden der deutschen und der österreichischen Republik hätte<br />

werden können. Die rücksichtsvolle Besonnenheit Mengers zeigt sich besonders<br />

auch in der Stellung, die er der Religion in seinem Zukunftstaate<br />

anweist. Er sieht deutlich, wie burlesk es ist, daß der bisherige Staat die<br />

Pflege der beiden Gegensätze, des Kultus und des Unterrichts, einem<br />

und demselben Manne anvertraut hat. Aber Menger ist zu duldsam, um<br />

den Fehler von 1793 zu wiederholen und die Gewissen der Gläubigen durch<br />

gewaltsame Abschaffung ihrer Kirche zu kränken. Er ist so duldsam aus Optimismus.<br />

Das schlimmste Elend der Armen wird im neuen Staate so<br />

gut wie verschwinden, weil es zumeist von der sozialen Ungleichheit hergekommen<br />

ist; die Religion wird gegenüber dem diesseitigen Hunger nicht<br />

mehr auf ein Jenseits zu weisen haben, und die Gleichheit der Schulbildung<br />

wird dahin führen, daß Wahrheit und Wissenschaft für alle ein<br />

gemeinsames Erbgut sein kann wie das Sonnenlicht. So werden die<br />

Offenbarungsreligionen, wenn ihnen erst der Schutz der Machthaber entzogen<br />

ist, allmählich in den Hintergrund treten. Und so unausrottbar ist<br />

der gute deutsche Michel in Anton Menger, dem tapferen Erdenker einer<br />

neuen Welt, daß er allen Ernstes die Forderung aufstellt, den verschiedenen<br />

Religionsgemeinschaften weiter die Unsummen zu bezahlen, die<br />

ihre Kultusgewohnheiten kosten; denn das gehöre zu dem Menschenrechte

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