29.10.2013 Aufrufe

Band 4 - m-presse

Band 4 - m-presse

Band 4 - m-presse

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

42 Drittes Buch. Dreizehnter Abschnitt<br />

Um dieses skeptischen Ausklangs willen bin ich gewissermaßen moralisch<br />

berechtigt, den Gedankengang des Platnerschen Gespräches viel kürzer<br />

zusammenzufassen als früher den der Humeschen Dialoge; nur möchte ich<br />

vorausschicken, daß die Rollenverteilung bei Platner eine andere ist als<br />

bei Hume. Einen Vertreter des Christentums gibt es hier gar nicht mehr;<br />

Theophil, der Gottesfreund, ist selbst ein durchaus aufgeklärter Deist und<br />

bekennt sich mehr als einmal zu dem noch ungenannten Samuel Reimarus,<br />

dem Fragmentisten, dessen Antichristentum ja bekannt genug war. Übrigens<br />

scheint mir der Hauptwert der Platnerschen Schrift nicht in der Polemik<br />

gegen Hume zu bestehen, sondern in den Stellen, die die wahre Meinung<br />

Humes sehr gut herausarbeiten.<br />

Philaleth und Theophil streiten zuerst sehr heftig über das Wesen<br />

des Skeptizismus; dieser und der Atheismus, sagt der Deist, seien Folgen<br />

einer Stimmung, einer Gemütsbewegung, und nicht eines Grundsatzes;<br />

der Theismus dagegen sei ein solches Gefühl nur bei der urteilsunfähigen<br />

Menge, nicht bei den denkenden Theisten. Darum könne der Skeptizismus<br />

nicht durch Begriffe und Ideen widerlegt werden. — Dem weisen Hume<br />

wird die verzweifelte Klage in den Mund gelegt: "Oh! wäre ich doch nie<br />

aus dem glücklichen Schlafe der Gedankenlosigkeit erweckt worden, in<br />

welchem die meisten Sterblichen um mich her versenkt sind"; vielleicht ist<br />

Kant von diesen Worten zu seinem bekannten Satze (Vorrede zu "Prolegomena",<br />

1783) von dem dogmatischen Schlummer angeregt worden, aus<br />

dem ihn Hume geweckt habe. — Man müsse das Dasein Gottes zugeben,<br />

auch wenn man über seine Eigenschaften nichts aussagen könne. Selbst<br />

seine Ewigkeit lasse sich nicht vorstellen; überhaupt brauche man sich für<br />

die apriorischen Beweise nicht zu erwärmen. Das Dasein Gottes sei nicht<br />

bloß wahrscheinlich, man habe davon eine moralische Gewißheit. Der<br />

teleologische Beweis genüge. In dem Buche der Natur lese man wie in<br />

einem anderen Buche Zeichen von Begriffen, Zeichen von einem Geiste.<br />

Theophil begeht den Schulschnitzer: wenn in einem nachgemachten Planitarium<br />

oder in einem Mikroskope planmäßige Absichten eines Verfertigers<br />

entdeckt würden, wieviel mehr müßte man entdecken im wirklichen Planetensystem<br />

oder im lebendigen Menschenauge. Der Skeptiker wendet umsonst<br />

ein, es bestehe zwischen den Werken der Natur und künstlichen Werken<br />

ein Unterschied; die Ordnung in der Welt könne eine Ordnung unserer<br />

Denkart sein (man darf dabei an Spinoza denken, aber vielleicht auch schon<br />

an Kant); Hume habe mit Recht angedeutet, der Schluß auf den Theismus<br />

könne unmöglich als ein Erfahrungsschluß aus einem einzigen Falle hergeholt<br />

werden und das Weltganze sei ein einziger Fall. Hume habe unmöglich<br />

eine geistige Ursache der Welt annehmen können, weil ihm doch<br />

Ernst Platner 43<br />

das einzige uns bekannte Geistige, die menschliche Seele, nur ein Bündel<br />

von Vorstellungen war. Die Denkkraft, welche die Welt geschaffen haben<br />

soll, sei auch nur ein leeres Wort wie jede qualitas occulta. Es gebe<br />

nur wirkende Ursachen und keine Endursachen. Darauf antwortet der<br />

Deist mit scholastischen Redensarten über die Einerleiheit aller Ursachen<br />

und bekennt sich zu Sätzen, die der Skeptiker für spinozistisch erklärt: Vermengung<br />

von Gott und Natur. Theophil, der als Anhänger von Reimarus<br />

wirklich ein bißchen Spinozist ist, sträubt sich dagegen, gibt aber zu, daß<br />

man die Gottheit zu der Natur rechnen dürfte, wenn der Sprachgebrauch<br />

den Begriff Natur nicht auf die Welt eingeschränkt hätte. Gegen eine Weltseele,<br />

die ungefähr die Allgegenwart Gottes bedeute, hat er nichts einzuwenden.<br />

Sehr merkwürdig ist eine Antwort, die der Skeptiker auf die erneute<br />

Behauptung gibt, kein Organismus könne durch Zufall entstanden sein;<br />

die Antwort des Darwinismus wird vorweg genommen, natürlich nur<br />

als ein Einfall und ohne die zahllosen Naturbeobachtungen Darwins.<br />

Eine Ausführung Humes nämlich (aus dem 8. Dialog) wird sehr gut verstanden<br />

und schärfer gefaßt. Ohne eine Harmonie der Teile, die nach so<br />

vielen Fehl- und Mißgeburten zustande kam, konnte ein Tier überhaupt<br />

nicht leben; alle verhältnislosen Zusammensetzungen mußten untergehen<br />

oder konnten vielmehr nie zu lebendigen tierischen Körpern geraten.<br />

Aber Philaleth legt auf diese Idee vom Überleben des Tüchtigsten (der<br />

Begriff der Zuchtwahl fehlt natürlich) selbst keinen Wert und scheint sich<br />

der Annahme anzubequemen, daß es zweierlei Ursachen gebe, daß z.B.<br />

ein Gemälde physisch aus mechanischen Kräften erklärt werden könne,<br />

vollständig aber erst aus der Wirksamkeit der Seele im Maler. Die Wirksamkeit<br />

eines Geistes in der Materie scheint ihm bewiesen. Theophil:<br />

Also erkennen Sie eine Gottheit ? Philaleth: Mäßigen Sie Ihre Freude!<br />

Der Skeptiker bleibt dabei, wenigstens die Güte des allweisen und<br />

allmächtigen Wesens schlechterdings zu leugnen. Das Gespräch wendet<br />

sich so wieder den Eigenschaften Gottes zu und der Begriff der Unendlichkeit<br />

wird vortrefflich als ein hilfloser und subjektiver Ausdruck des menschlichen<br />

Verstandes erörtert. Das begreift Philaleth für die Weisheit und<br />

für die Macht Gottes; aber dafür, daß Gott das irdische Wohl und die<br />

Tugend der Menschen gewollt habe, gebe es gar keinen Anhaltspunkt;<br />

stellen doch die Theologen selbst den Menschen als ein abscheuliches und<br />

lasterhaftes Wesen dar. Theophil tadelt solche Prediger und verteidigt den<br />

Optimismus. Der Skeptiker ruft, es heiße der Menschheit und der Schöpfung<br />

hohnsprechen, wenn man mit Leibniz behaupte, die Welt sei so vollkommen<br />

als möglich; es entspreche der Wirklichkeit, daß man dem großen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!