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Band 4 - m-presse

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438 Viertes Buch. Zehnter Abschnitt<br />

häufig mit einem verzehrenden Feuer verglichen worden. Ich werde in<br />

den unbegründeten Verdacht kommen, meinen ruhigen Atheismus widerrufen<br />

zu haben, wenn ich nun an diesem reichen Beispiele zu zeigen mich<br />

bemühe, daß der Gottesbegriff einen gewissen Sinn gebe, wenn auch einen<br />

anderen für die substantivische, einen anderen für die adjektivische und<br />

wieder einen anderen für die verbale Welt; aber was ich gottlose Mystik<br />

genannt habe, wird vielleicht in dieser Darstellung noch faßbarer als sonst<br />

herauskommen.<br />

Für die substantivische Welt ist es freilich weniger eine Leugnung<br />

als eine Rettung Gottes, wenn ich ihn, d. h. den Gegenstand hinter diesem<br />

Worte, wie das Feuer zu den bloßen Erscheinungen rechne, die nicht wirklich<br />

sind. Wir leugnen ja auch das Feuer nicht, weil es nicht wirklich ist,<br />

nicht außer und neben den Sinneseindrücken ist, deren Gesamtheit wir<br />

Feuer nennen; wie wir das Dasein eines Eisenstücks nicht leugnen werden,<br />

wenn wir dereinst dazu gelangen sollten, alle Sinneseindrücke, deren Gesamtheit<br />

wir immer noch ein Eisenstück nennen, als Bewegungen, Verhältnisse,<br />

Wirkungen u. dgl. von Atomen, Energien u. dgl. zu begreifen.<br />

Nun wäre es freilich ebenso kindisch oder tierisch, bei dem Worte Gott auf<br />

der Vorstellung von einem persönlichen, also menschenähnlichen Wesen<br />

bestehen zu wollen, wie es tierisch wäre, in der Flamme, nachdem man<br />

sie als eine Erscheinung erkannt hat, noch überdies eine Person zu suchen,<br />

einen feurigen Geist etwa oder so einen menschenähnlichen Teufel. Just<br />

aber mit einer so kindischen oder auf dem Tierstand zurückgebliebenen<br />

Logik oder Psychologie — die beiden Disziplinen gehen in der Sprache<br />

der entwickelten Menschen ein wenig auseinander — hat man mit dem<br />

Gottesbegriff den Begriff der Persönlichkeit verbunden, so daß der Gott<br />

der substantivischen Welt nicht eine Sache wurde wie andere Sachen, sondern<br />

eine lebendige Sache, ein menschenähnliches Wesen, dem dann menschenähnliche<br />

Eigenschaften und endlich übermenschliche, also doch wieder<br />

menschenähnliche, mit Menschentum vergleichbare Tätigkeiten zugesprochen<br />

wurden. Wir lachen über den Neger, der einen solchen inneren Bedeutungswandel<br />

mit seinem Fetisch vornimmt, und wenn es nur ein Kuhschwanz<br />

gewesen wäre. Wir sind es nicht gewohnt, über den sogenannten Arier<br />

zu lachen, der mit dem Himmelsbegriff einen ähnlichen Bedeutungswandel<br />

vornimmt. Und doch besteht zwischen Feuer, Himmel und Gott eine Begriffsverwandtschaft,<br />

die ich jetzt aufzeigen möchte, zunächst wieder nur<br />

für die substantivische Welt. Sogar die merkwürdige Vertauschung von<br />

Leben und Wohnung, von Kraft und Ort, gilt für den Himmel wie für das<br />

Feuer; man hat einst dem Herde, der Stätte des Feuers, als einem Altare<br />

göttliche Ehren erwiesen, und so unterscheidet noch heute die Gemeinsprache<br />

Die drei Bilder der Welt 439<br />

nicht genau zwischen dem Himmel als der Wohnstätte des Gottes oder der<br />

Götter, und dem Himmel als einer göttlichen Person, bei welcher man<br />

schwört.<br />

Wie immer es um die Zuverlässigkeit der Etymologien bestellt sein Himmel<br />

mag, die den Namen des obersten Griechengottes Zeus und den lateinischen<br />

Gattungsnamen deus auf den gleichen Stamm zurückführt, auf eine uralte<br />

Bezeichnung für den glänzenden, leuchtenden Himmel oder den Tag, wie<br />

immer man es mit der Etymologie des germanischen Wortes „Himmel"<br />

halten mag, ob da ursprünglich Stütze oder Dach des Weltgebäudes gemeint<br />

war, in der Vorstellung der sprechenden Menschen blieb "Himmel" (und<br />

die entsprechenden Wörter anderer Sprachen) fast ebensolange ein Ding<br />

wie "Feuer", bis auch der Himmel durch die Naturwissenschaft in eine<br />

bloße Erscheinung aufgelöst wurde, in eine Illusion unseres Gesichtssinnes.<br />

Die Kugelgestalt des Himmelsgewölbes und die blaue Farbe bei einer<br />

gewissen Reinheit der Luft ergaben sich aus den Bedingungen, unter<br />

denen das Auge Eindrücke aufnimmt; wie Gestalt, Farbe und Wärme<br />

der Flamme aus den Bedingungen einer chemischen Verbindung von<br />

Kohlenstoff und Sauerstoff. Für das Feuer ist es unerheblich, ob das<br />

Leuchtgas in der sauerstoffhaltigen Luft verbrennt oder (bei einem gewissen<br />

Experiment) die Luft im Leuchtgas; das Experiment, wie der Mensch vom<br />

Himmel aus gesehen sich ausnehmen mag, können wir nicht nachmachen;<br />

und der Umstand, daß jeder menschliche Beobachter — genau genommen —<br />

den Mittelpunkt eines anderen Himmelsgewölbes bilde, wird von der<br />

Sprache als unbeträchtlich beiseite gelassen, wie von der Religion der<br />

Umstand, daß jeder Mensch — genau genommen — einen anderen Gott<br />

erblickt. Der Glaube an die Dinglichkeit hat bei Feuer und Himmel zu den<br />

gleichen groben Schnitzern verführt; in bezug auf das Feuer lehrte man<br />

hundert Jahre lang, daß ein besonderer Feuerstoff, das Phlogiston, in den<br />

brennbaren Körpern stecke und als Flamme in die Erscheinung trete; in<br />

bezug auf den Himmel lehrte man einige tausend Jahre lang, daß eine<br />

ganze Anzahl von festen Himmelsgewölben vorhanden sei, wie eine Zahl<br />

von Zwiebelhäuten.<br />

Und doch besteht zwischen dem Feuerbegriff und dem Gottbegriff ein<br />

Unterschied sprachlicher Art, der aber nur ein kleiner grammatikalischer<br />

Unterschied ist; das Wort Feuer ist ein Stoffname, wie denn das Feuer<br />

(neben Wasser, Luft und Erde) durch Jahrtausende für einen der Grundstoffe<br />

der Welt galt, während das Wort Gott als ein Eigenname oder als<br />

ein Gattungsname betrachtet wurde, je nachdem man das Dasein von<br />

einem einzigen Gotte oder von vielen Göttern annahm. Der Glaube an<br />

die vielen Götter schwand aber und der eine übriggebliebene Gott wurde

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