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Band 4 - m-presse

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70 Drittes Buch. Dreizehnter Abschnitt<br />

Ich wiederhole mich wieder. Ohne Rechthaberei, ruhiger und würdiger<br />

als Fichte, bekennt sich Forberg da zu dem Agnostizismus, den<br />

wir alle unterschreiben. Noch einmal: Feuerbach hätte seine Lehre, daß<br />

die Menschheit sich den Gott nach ihrem eigenen Bilde geschaffen habe,<br />

schon bei Forberg finden können. Und Forberg ist sich bewußt, daß er nach<br />

einer Weltwende, nach der französischen Revolution, zu Worte gekommen<br />

ist: "Vielleicht ist die Zeit nahe, wo der Strom der Revolution auch die<br />

Moral ergreift . . . Jedes Jahrhundert hat andere Pflichten wie andere<br />

Kompendien. Die Bösewichter des 18. kann das 19. zu Heiligen stempeln."<br />

Und im Zusammenhange damit deutet er auf Kant hin, der das Verhältnis<br />

von Religion und Moral umgekehrt habe: die Grundlage sei jetzt die<br />

Moral und nicht mehr der Gottglaube.<br />

Forbergs Agnostizismus äußert sich so, daß man diesen einfachen<br />

Lehrer radikaler nennen darf, als die schlimmsten bisherigen Kirchenfeinde;<br />

er ist — um das englische Wort zu bemühen — noch mehr atheologisch als<br />

atheistisch; er leugnet Gott gar nicht, er weiß nur nichts von Gott. Es gibt<br />

gar keine Pflicht, theoretisch an irgendeinen Gott zu glauben, nur daß so<br />

ein Gott im Pflichtbegriff schon mitenthalten ist. Der Gedanke kehrt immer<br />

wieder: der Sieg des guten Prinzips wird vielleicht niemals kommen,<br />

wird wahrscheinlich niemals kommen, wir wollen dennoch so leben, als<br />

ob wir an einen solchen Sieg glaubten. Gott ist gar nichts anderes als der<br />

Grundsatz eines solchen Lebens oder Handelns.<br />

Einen breiten Raum in der Verteidigung Forbergs nimmt der Nachweis<br />

ein, daß er mit seiner Abhandlung über den Begriff der Religion<br />

"formal" kein Gesetz übertreten habe. Nur als Schullehrer sei er auf den<br />

Theismus verpflichtet gewesen; als philosophischer Schriftsteller sei er dem<br />

Staate gegenüber ganz frei. Höchstens könne ihn sein Gewissen tadeln,<br />

wenn er als Lehrer etwas gegen seine Überzeugung vortrage. (Auch<br />

solche Gewissensbedenken waren in der guten alten Zeit nicht so selbstverständlich,<br />

wie man gerne glauben möchte.) In materieller Beziehung<br />

bekennt er sich — beinahe ganz ehrlich — nur dazu, das W issen von Gott<br />

geleugnet zu haben.<br />

Noch fester als in der angeklagten Schrift besteht Forberg jetzt (S. 129<br />

bis 131) auf der Lehre, die Vaihinger eine Als-ob-Religion genannt hat:<br />

der Glaube an Gottes Dasein sei nicht als Theorie, sondern nur als Grundsatz<br />

des Handelns Religion. Es sei nur zufällig und nicht Pflicht, wenn ein<br />

guter Mensch über den Grundsatz seines moralischen Handelns auch noch<br />

nachdenke und so zum Gottglauben gelange; das Nachdenken dürfe keinem<br />

Menschen zur Pflicht gemacht werden. Ohne Pflicht keine Religion.<br />

All dieses Nachdenken sei nur Sache der Theologie und Forberg ist — wie<br />

Forbergs Atheismus 71<br />

gesagt — atheologisch. Er glaubt durchaus die Gedanken von Kants<br />

Kritik der praktischen Vernunft vorzutragen und tut dies auch wirklich in<br />

erstaunlich unverschulter Weise. Auch seine skeptische Als-ob-Religion stützt<br />

er (in einem Anhang) auf das Wort Kants, das uns schon beschäftigt hat:<br />

wir müßten uns so verhalten, als ob Gott und Unsterblichkeit Wirklichkeiten<br />

wären. Auch an dieser für die Würdigung Kants entscheidenden<br />

Stelle kommt Forberg auf den anstößigen Schluß seines Aufsatzes zurück,<br />

auf das verwegene Wort, daß er vielleicht nur gespielt habe. Womit<br />

gespielt? Wie wir gesehen haben: mit der ernsthaften Lehre Kants, der<br />

Gottglaube habe nur mit dem Handeln des Menschen etwas zu tun, nicht<br />

mit seinem Denken, ganz gewiß nicht mit der reinen Vernunft. Diese<br />

Tugendlehre, die auch Robespierre am Feste des höchsten Wesens hätte<br />

vortragen können, predigt nun Forberg in seiner Apologie (S. 116—131)<br />

abermals, nicht mit den Worten Kants, doch wohl etwa in seinem Geiste.<br />

Im Geiste Kants ist es auch am Ende, wenigstens im Geiste Rousseaus,<br />

daß das Ideal einer moralischen Weltregierung langsam zu dem irdischen<br />

Ideal einer allgemeinen Wohlfahrt zusammenschrumpft, d. h. doch wohl<br />

zu der sozialistischen Forderung, es möchte auf die Mehrheit der Menschen<br />

mehr Genuß kommen als bisher. Eigentlich wird der Glaube an Gott auf<br />

den Glauben an die Ermöglichung eines so naturalistischen Zieles eingeschränkt;<br />

wir sollen, nein, wir wollen so leben, als ob wir an eine Besserung<br />

der sozialen Verhältnisse glaubten, d. h. an Gott glaubten.<br />

Und nach einer neuen Berufung auf Kant (S. 177) wagt es nun<br />

Forberg, dieses Minimum von Religion ein Spiel mit Begriffen zu nennen:<br />

Kants Theorie eines praktischen Glaubens (die Kritik der praktischen Vernunft<br />

also) sei höchst unphilosophisch, sei „ein gefährlicher Irrtum und eine<br />

Hintertür, um jeden Unsinn, den die theoretische Philosophie (die Kritik<br />

der reinen Vernunft also) mit Mühe losgeworden, durch die praktische<br />

wieder hereinzulassen, und es sei zur Ehre der Pfleger jenes Begriffs zu<br />

hoffen, daß es ihnen nicht überall völliger Ernst gewesen". Man sieht,<br />

Forberg wendet sich gegen den aus der Moral bewiesenen Gott Kants fast<br />

mit den gleichen Worten wie zwanzig Jahre später Schopenhauer, eigentlich<br />

noch feiner als Schopenhauer, da er den verehrten Meister Kant nicht<br />

betrügen, sondern nur spielen läßt. Und Forberg führt das Bild vom Spiele<br />

(mit dem Gottesbegriff) lachend weiter aus. Es habe sich ein Schelm<br />

gefunden (der Schelm ist er selbst), der das Spiel aufdeckte, um den Spielern<br />

selbst eins mitzuspielen. Ein großer Lärm konnte nicht ausbleiben. Diejenigen,<br />

die mit dem Spiele spielten und die die Wahrheit ahnten, würden<br />

sich zwar bald beruhigen; aber die anderen, denen bisher mitgespielt worden,<br />

die aus dem Spiele Ernst machten, mit denen das Spiel selbst spielte,

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