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Band 4 - m-presse

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196 Viertes Buch. Fünfter Abschnitt<br />

vom Leibe." Und ein andermal noch bitterer: "Wer kein Vermögen, hat<br />

keinen Willen." Von Zeit zu Zeit drang noch der Nachhall seines Ruhms<br />

zu ihm, aber seine geistige Kraft war gebrochen. Seit 1866 versagte auch<br />

seine Lebenskraft. Er siechte noch einige Jahre dahin und starb 1872.<br />

Wesen des Als Feuerbach das "Wesen des Christentums" vollendet hatte, wollt<br />

er es wie sein Erstlingswerk ohne seinen Namen erscheinen lassen; nicht ganz<br />

aufrichtig gegen sich selbst, gab er dem Verleger feierliche Gründe für die<br />

Anonymität an; dafür sollte ein "pikanter" Titel die Neugier reizen:<br />

"\greek{,..7^.....: a^.^c^} oder Das Geheimnis der Religion und die Illusionen<br />

der Theologie." In Wahrheit wird Feuerbach wieder daran gedacht haben,<br />

sich den Rückweg zur akademischen Laufbahn offen zu halten. Als der Verleger<br />

ihn zur Nennung seines Namens überredet hatte, fand der Autor<br />

auch dafür feierliche Gründe.<br />

Der Hauptgedanke des Buches war wahrlich nicht neu. Bekanntlich<br />

hatte schon Xenophanes ihm den schärfsten Ausdruck geprägt in dem Satze:<br />

Wenn Ochsen sich Gott vorstellten, würden sie ihn ochsenähnlich vorstellen;<br />

den Negern seien die Götter schwarz und plattnäsig. An diesen Satz war<br />

von Bayle und den Enzyklopädisten oft erinnert worden. Neuerdings<br />

hatten Männer, die gewiß keine Umstürzler waren, den Gedanken wieder<br />

aufgenommen; Schiller in seinem Satze: „In seinen Göttern malet sich der<br />

Mensch", und Schieiermacher durch die allerdings noch vorsichtige Wendung,<br />

der Mensch schaffe das Göttliche nach seinem eigenen Ebenbilde. Es ist aber<br />

etwas anderes, einen Gedanken als einen paradoxen Einfall gelegentlich<br />

hinzuwerfen, und wieder etwas anderes, diesen Gedanken zu Ende zu<br />

denken und ihn mit der Wucht eines ganzen Buches den Zeitgenossen<br />

aufzuzwingen. Dies tat Feuerbach und vertiefte das alte Paradoxon dadurch,<br />

daß er die gesamte Theologie zu bloßer Anthropologie machte, d.h.<br />

das Wissen von Gott dem Wissen vom Menschen einfügte. Daß er seine<br />

Anthropologie damals immer noch nicht von der Metaphysik losgelöst<br />

hatte, daß wenigstens seiner Psychologie immer noch verhegelte, also am<br />

letzten Ende doch wieder theologische Begriffe zugrunde lagen, davon hatte<br />

Feuerbach keine Ahnung; aber dieser Umstand hatte zur Folge, daß Feuerbachs<br />

Gott, obwohl ein geistiges Produkt des Menschen, doch zu existieren<br />

nicht aufhört, so daß etwa die am weitesten links stehenden Protestanten<br />

beinahe mit der Anthropologie Feuerbachs einverstanden sein könnten.<br />

Wesen der Nicht mehr mit den "Vorlesungen über das Wesen der Religion",<br />

Religion die unter dem Schutze der Revolution viel freier gerieten als Feuerbachs<br />

bisherige Schriften, und die erst 1851 in ihrer erweiterten Form herauskamen<br />

(zugrunde lag eine kleine Schrift von 1845), mit einigen Zusätzen,<br />

die nur sehr wenig der Reaktion huldigten, sehr viel der menschlichen Eitel­<br />

Feuerbachs "Wesen der Religion" 197<br />

keit ihres Verfassers. Feuerbach gibt zunächst, nicht ganz ohne Retuschen,<br />

ein Bild seiner bisherigen Wirksamkeit; Gottesgeschichte, in Heidentum<br />

und Christentum, sei auch nur ein Teil der Menschengeschichte; die Menschen<br />

müßten aus Theologen zu Anthropologen gemacht werden, aus religiösen<br />

und politischen Kammerdienern der himmlischen und irdischen Monarchie<br />

und Aristokratie zu freien, selbstbewußten Bürgern der Erde. Mit geringem<br />

Vorbehalt gibt er seinen Atheismus zu. Die Furcht, insbesondere aber<br />

die Furcht vor dem Tode, habe die Religion erzeugt, d. h. das Gefühl der<br />

Abhängigkeit von der Natur oder das Gefühl des Einsseins mit der Natur.<br />

Das sei seine Naturreligion, die sich mit seinem Atheismus ganz gut vertrage;<br />

man brauche ja die Natur nicht zu vergöttern. Feuerbach verwahrt<br />

sich dagegen, daß man seine Naturreligion mit dem Pantheismus Spinozas<br />

verwechsle; für ihn sei die Erde das absolute Maß alles Lebens und Denkens;<br />

alle vermeintlich überirdischen Eigenschaften Gottes habe man nur, mit<br />

Hilfe von unendlichen Übertreibungen, von der Natur abgezogen. Er<br />

mache keinen Unterschied zwischen Poly- und Monotheismus; immer sei<br />

der Gott nur der Inbegriff der Gattung Mensch, der Idealmensch, der<br />

Mensch des Wunsches. Außer der Natur gibt es nichts Wirkliches, und die<br />

Natur ist nicht allmächtig. Gott ist nur in der menschlichen Einbildungskraft,<br />

ist das Nichts, das der Mensch außer sich hinaus gesetzt hat. Das Wunder<br />

gehört zum Gottglauben und hat wieder den Wunsch zur Voraussetzung. Die<br />

Religion war zuerst Fetischismus, ist eigentlich über diese Stufe niemals<br />

hinausgelangt. Jede Sekte wirft jeder anderen Götzendienst vor, sie sind<br />

aber eigentlich alle Götzendiener. Der moderne Gottesglaube ist eine Lüge.<br />

"Nur die Aufhebung dieser Lüge ist die Bedingung einer neuen, tatkräftigen<br />

Menschheit." Theologie läuft zuletzt auf eine hohle, aber erbauliche Phraseologie<br />

hinaus. Bei alledem sind die Vorlesungen über das "Wesen der Religion"<br />

auch noch politisch gerichtet. Gott ist der absolute Monarch, der<br />

besonders darum abgeschafft werden muß; "der Atheismus ist liberal,<br />

freigebig, freisinnig." Der Atheismus Feuerbachs ist da schon so politisch,<br />

daß er unduldsam geworden ist. Der Staatsbürger hat nur das zu glauben,<br />

was vernünftig ist. "Ich gebe keinen Pfifferling für politische Freiheit,<br />

wenn ich ein Sklave meiner religiösen Einbildungen und Vorurteile bin."<br />

Ich habe die im Grunde weder geistreichen noch folgerichtigen, wesentlich<br />

nur ehrlichen Gedankengänge Ludwig Feuerbachs so ausführlich wiedergeben<br />

müssen um seiner ausgedehnten Wirkung willen; und diese Wirkung<br />

verdankte der tapfere Draufgänger dem Umstande, daß er — oft platt<br />

trotz des philosophischen Aufputzes — aussprach, was seine Zeit wünschte:<br />

Emanzipation von der Kirche. Es muß einmal hart ausgesprochen werden:<br />

Feuerbach, der Sprecher der damaligen deutschen Menschheit, war weder

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