Forschungsplan, 2MB - Deutsches Archäologisches Institut

Prof. Dr. V. von Graeve, Universität Bochum
Türkischer Antikendienst
Finanzierung
Institute for Aegean Prehistory, Philadelphia
Forschungsplan
Seite 203
c) Die bronzezeitliche Siedlung von Tiryns
Tiryns am Golf von Nafplion gehörte zwischen ca. 2500 und
1000 v. Chr. zu den politischen Zentren und wichtigsten Drehscheiben
des Handels im östlichen Mittelmeerraum. Anders als viele andere
bronzezeitliche Siedlungsplätze wurde Tiryns in historischer Zeit
nicht nennenswert überbaut, was für eine interdisziplinäre Stadtforschung
den Vorzug bietet, beispielhaft Veränderungen sozialer und
wirtschaftlicher Strukturen der Bronzezeit in einer langfristigen Perspektive
untersuchen und Zyklen der Entstehung und des Zerfalls sozialer
Komplexität erkennen zu können.
Die bisherigen Ausgrabungen in Tiryns konzentrierten sich vor allem
auf die Akropolis (Oberburg, Mittelburg, Unterburg), wogegen Struktur
und Bedeutung der sie umgebenden bronzezeitlichen Stadt noch
weitgehend unbekannt sind, da hier bisher nur einige Suchschnitte
und kleinere Grabungen durchgeführt wurden. Die Reste der aufeinander
folgenden Siedlungen der Bronzezeit liegen überall im Stadtgebiet
unmittelbar unter der heutigen Oberfläche und bilden ein noch
weitgehend unerschlossenes Archiv zur Wirtschaft und Gesellschaft
des frühen Griechenlands. Die wichtigste offene Forschungsfrage
knüpft sich an die Veränderungen in der Stadt am Übergang von der
Palastzeit (14. und 13. Jh. v. Chr.) zur Nachpalastzeit (12. und
11. Jh. v. Chr.). Nach 1200 v. Chr., d.h. zu einer Zeit, als alle anderen
Zentren Griechenlands aufgelassen werden oder in ihrer Größe
schrumpfen, scheint das Stadtgebiet von Tiryns planmäßig erschlossen
worden zu sein. Die politischen Hintergründe dieses Größenwachstums
liegen ebenso im Dunkeln wie die Frage der
wirtschaftlichen Grundlage und der ethnischen Zusammensetzung der
anscheinend sprunghaft gestiegenen Stadtbevölkerung.
Weitere zentrale Fragen der Stadtforschung in Tiryns beziehen sich
auf die Ursprünge des späteren palastzeitlichen Zentrums zwischen
ca. 2000 und 1400 v. Chr. und auf die Existenz und die Lage etwaiger
gebauter Hafenanlagen, die, infolge von Verlandung, heute von Erde
bedeckt sein müssten. Die genannten Forschungsprobleme sollen in
den kommenden Jahren durch eine Verbindung archäologischer Ausgrabungen
mit naturwissenschaftlichen Untersuchungen (z.B. Geomagnetik,
Bodenradar) einer Klärung näher gebracht werden. Seit
2006 wird ein Areal im Westen des Stadtgebietes untersucht, dessen
Schichtungsverhältnisse es ermöglichen, Befunde der frühmykenischen
Zeit (1600-1400 v. Chr.), der Älteren Palastzeit
(14. Jh. v. Chr.) sowie der Früheisenzeit zu erforschen, die in anderen
Teilen des Ortes infolge späterer Bebauung nicht erreicht werden
können oder zerstört wurden. Die flächendeckende Erforschung des
Stadtgebietes und die Auffindung eventueller Hafenanlagen sollen in
Zusammenarbeit mit Geowissenschaftlern in einem Projekt erfolgen,
für das Drittmittel zu beantragen sind.
Wissenschaftliche Perspektiven
In den kommenden fünf Jahren sollen in Tiryns die Anstrengungen
in der Publikation der Ergebnisse der alten und neuen Ausgrabun-