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Forschungsplan, 2MB - Deutsches Archäologisches Institut

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ägyptischen Siedlungsraums, seine grundlegenden ökologischen Strukturen<br />

und seine Einbindung in den nordostafrikanisch-vorderasiatischen Kontext.<br />

<strong>Forschungsplan</strong><br />

Seite 77<br />

Diese Identität ist jedoch nicht, wie ein verbreitetes Klischee meint, zeitenthoben<br />

zu denken. Die Einsicht in ihre Kontinuität darf jedoch auch nicht<br />

durch die übliche Fraktionierung des historischen Blicks an den Grenzen<br />

etablierter akademischer Disziplinen zerstört werden. In einzigartiger Weise<br />

steht vielmehr ein Strom der Transformationen, der Kontinuitäten und Brüche<br />

zur Erforschung an, in dem sich grundlegende konstante Faktoren und<br />

langfristige Rahmenbedingungen in der Brechung durch fundamentale<br />

Wandlungen ethnischer, religiöser, kultureller, ökonomischer, sozialer und<br />

politischer Art behaupten. Die Schichtung historischer Zeitlichkeit, wie sie in<br />

den drei Ebenen der Dauer, der Struktur und des Ereignisses benannt wurde,<br />

ist in Ägypten exemplarisch zu erforschen. Dabei bildet die Geschichte<br />

der <strong>Institut</strong>ion des Staates, von seiner Entstehung im 4. Jt. v. Chr. in einer<br />

Abfolge formativer Prozesse und struktureller Transformationen bis in die<br />

frühe Neuzeit, ja bis in die Gegenwart, eine Leitlinie der Forschung.<br />

Die Archäologie in Ägypten steht daher vor der großen und über weite Strecken<br />

noch neuen Aufgabe, jenseits kulturalistischer Kategorisierungen die<br />

langen Linien des Historischen und Kulturellen in den Blick zu nehmen. Das<br />

Deutsche Archäologische <strong>Institut</strong> Kairo als eine <strong>Institut</strong>ion, die nicht auf den<br />

Fächerkanon der Universitäten verpflichtet ist, hat die einzigartige Freiheit,<br />

sich einen solchen neuen Blick auf die Vergangenheit Ägyptens zu erarbeiten.<br />

Es ist dazu doppelt verpflichtet, da die Frage der die traditionell postulierten<br />

Kulturgrenzen überschreitenden Kontinuität seit dem 19. Jh. und bis<br />

in die Gegenwart eine zentrale Rolle in den fluktuierenden Identitätsdiskursen<br />

Ägyptens spielt und dadurch die Bedeutung von Archäologie in und für<br />

Ägypten entscheidend prägt.<br />

Tatsächlich eröffnet der Blick auf die langen Linien der ägyptischen Kultur<br />

und Geschichte den Zugang zu zentralen Fragen. Dabei stehen weniger die<br />

immer wieder diskutierten "survivals" der ägyptischen Volkskunde im Blick.<br />

Vielmehr lassen sich kohärente Traditions- und Transformationsketten etwa<br />

im Bereich des Rituellen - z.B. der kultischen Betreuung des Nils und seiner<br />

Flut oder der Transformation sakraler Plätze und ritueller Begehungen in<br />

der Sukzession der großen Religionen vom Alten Ägypten bis zum Islam -<br />

nachweisen. Ein anderes, grundlegend vernachlässigtes Gebiet ist das der<br />

ökonomischen, sozialen und politischen Strukturen zumal des ruralen Milieus<br />

- etwa die Frage dörflicher Organisation und staatlicher Penetration. Gerade<br />

hier ist kritisch zu prüfen, inwieweit die Verhältnisse jüngerer Epochen<br />

als Modelle zur Rekonstruktion der Verhältnisse alter Zeit herangezogen<br />

werden können. Archäologische Primärbefunde der Kontinuitäten und Innovationen<br />

im Bereich der materiellen Kultur, der Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte<br />

treten so in den Horizont historischer Fragen mit<br />

grundlegender Bedeutung.<br />

Alle diese Themen werden bei einem Zugriff im disziplinären Raster systematisch<br />

ausgeblendet. Sie sind jedoch genau die Fragen, die der archäologische<br />

Zugriff, der die Relikte der Vergangenheit ungeschieden in ihrer<br />

historischen Einheit vorfindet, offen zu legen vermag.<br />

Tatsächlich ergibt sich der Blick für die langen historischen Linien in der<br />

konkreten archäologischen Projektarbeit schlechterdings aus der Natur der

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