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Veränderte Musikwahrnehmung durch Tetra-Hydro-Cannabinol im ...

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Kapitel 2: Sozialpharmakologische Perspektiven von Cannabis und Musik ...<br />

‚Reefer‘ (Slang für eine Marihuana-Zigarette) <strong>im</strong> Gegensatz zu der Boheme-Kultur<br />

des Paris der 20er Jahre oder den Literaten des 19. Jahrhunderts (s.o.) eher als ein<br />

öffentliches Ärgernis angesehen und ihre Musik als ‚drogeninspirierter‘ Lärm<br />

erachtet, nicht aber als ein kreativer Akt. Der ‚Ahnherr‘ des amerikanischen ‚War<br />

on Drugs‘, Harry Anslinger, produzierte z.B. einen Film mit dem Titel ”Reefer<br />

Madness”, in welchem Jazzmusiker prototypisch als die Hauptvertreiber und<br />

Propagandisten von Cannabis angeprangert wurden.<br />

“... Schnitt zu einem käferäugigen Schwachkopf, mesmerisiert<br />

<strong>durch</strong> die Töne, die einer seiner marihuanarauchenden Freunde<br />

einem gammeligen Klavier entlockt, dem eigenartigen,<br />

beschleunigten Boogie-Woogie, der von seinen dringenden<br />

Schreien ‚schneller, spiel schneller‘ angetrieben wird... “ (Sloman<br />

in Behr, 1982: 205).<br />

Durch cineastische Mittel übertrieben dargestellt, wurde suggeriert, daß die ‚wilde‘<br />

Rhythmik und ‚chaotische‘ Struktur der Jazzmusik einem ausschweifenden und<br />

unmoralischen Lebensstil entsprängen und die geistige Wurzel dieser hedonistisch,<br />

musikalischen Verirrungen <strong>im</strong> Cannabisrausch zu suchen sei (hierzu Shapiro,<br />

1988:52ff) und - daß ”diese ‚satanische‘ Musik und der Genuß von Marihuana<br />

weiße Frauen dazu brächten, ‚sexuelle Beziehungen mit Negern zu wollen‘ ”<br />

(Herer, 1993: 150).<br />

In eine ähnliche Kerbe schlug schon <strong>im</strong> Jahre 1922 das Broadwaybühnenstück ”The<br />

National Anthem” von Hartley Mann: ”Es handelte von den Ausschweifungen und<br />

der Dekadenz der Jugend, die sämtliche Ratschläge der Eltern zunichte machte.<br />

Der Jazz war als die ‚Saturnalien des modernen Menschen‘, als Rhythmus ohne<br />

Seele, unter anderem daran Schuld ” (Shapiro, 1988: 53).<br />

Der Leiter des State Hospital in Napa, Kalifornien gab in den 20er Jahren folgendes<br />

Statement ab:<br />

”Meinen Erfahrungen nach sind etwa fünf Prozent unserer Jungen<br />

und Mädchen <strong>im</strong> Alter von 16 bis 25 Jahren, die heutzutage in der<br />

Irrenanstalt landen, jazzverrückte Drogensüchtige und Kunden<br />

öffentlicher Tanzlokale. Das gehört be<strong>im</strong> Jazz zusammen –<br />

Drogensüchtige und Tanzlokale sind ein und dieselbe Sache ... wo<br />

man das eine findet, findet man auch das andere”(in Leonard,<br />

1962: 37).<br />

Tanzlokale waren auch schon dem Ölmagnaten John David Rockefeller ein Dorn<br />

<strong>im</strong> Auge, trafen sich dort doch nach seinen Erkenntnissen Arbeiter, welche<br />

Gewerkschaften gründen wollten. Als „moralischer Unternehmer“ finanzierte er<br />

schon während der amerikanischen Alkoholprohibition die ‚Anti-Saloon League‘,<br />

die für die Schließung aller Kneipen eintrat (Behr, 1982: 193). Da Jazz derzeit<br />

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