5. Familienbericht 1999 - 2009 auf einen Blick - BMWA
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FAMILIENBERICHT <strong>1999</strong> – <strong>2009</strong> AUF EINEN BLICK<br />
Familie und Sozialisation 55<br />
Die Sozialisation außerhalb der Familie gewinnt an Bedeutung. Die Beziehungen<br />
zwischen „Peers” und Familien sind nicht spannungsfrei. Sie stellen Familien<br />
vor schwierige Herausforderungen.<br />
Sozialisation ist zu verstehen als „Prozess der Entstehung und Entwicklung der Persönlichkeit<br />
in wechselseitiger Abhängigkeit von der gesellschaftlich vermittelten sozialen und materiellen<br />
Umwelt” (Geulen/Hurrelmann 1980). Diese Verknüpfung von gesellschaftlichen<br />
Bedingungen und biografischer Entwicklung (vgl. Veith Online-Familienhandbuch) bildet<br />
den Schlüssel zum Verständnis von Gesellschaft als zeitübergreifendem und strukturstabilem<br />
Komplex von Beziehungen und Prozessen. Sozialisation betrifft die Verstetigung und<br />
Verbreitung von Haltungen und Handlungsorientierungen. Sie wirkt dabei nicht nur in eine<br />
Richtung, also etwa von Eltern zu Kindern oder von Lehrern zu Schülern.<br />
Eine familienzentrierte Gesellschafts<strong>auf</strong>fassung nimmt an, dass die Familie die Stabilität<br />
und Kontinuität einer Gesellschaft garantiert. Sozialisationsleistungen der Familien sind<br />
etwa die Herstellung eines Generationentransfers von Werten, Einstellungen und Verhaltensmustern.<br />
Es geht nicht nur um die Herstellung gesellschaftlicher Konformität im Allgem<strong>einen</strong>,<br />
sondern auch um die Legitimierung von Institutionen. Sozialisationsvorgänge sind<br />
in hohem Maße kontingent und unberechenbar (s. Geulen 2002: 84, Lüscher 2007, Sieder<br />
2008: 72). Familie hat vielfältige Möglichkeiten, Persönlichkeiten zu prägen und individuelle<br />
Entwicklungsverläufe zu steuern, aber sie steht dabei in Wechselbeziehung mit unterschiedlichen<br />
Einflussfaktoren, deren Gewichte untereinander und im Verhältnis zur Familie<br />
sich verschoben haben. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Erziehung und Sozialisation:<br />
Sozialisation als Oberbegriff umfasst sowohl intentionale als auch nicht-intentionale<br />
Interaktionsformen (Böhnisch 2003: 290 f.; 4. <strong>Familienbericht</strong>, Bd. 1, 46 ff.).<br />
Primäre Sozialisation: Persönlichkeitsentwicklung durch Familie<br />
Als primäre Sozialisation (engl. „Parental Socialization”) wird gemeinhin der <strong>auf</strong> die Familie<br />
entfallende Anteil an der Persönlichkeitsentwicklung verstanden. In dem Maße, in dem Kinder<br />
zum Hauptmotiv für Eheschließungen werden, wird Ehe als „bewusste Sozialisationsinstanz”<br />
inszeniert. Kinder eignen sich im Zuge der so genannten primären Sozialisation ein<br />
vorläufiges Arbeitsmodell an, das <strong>auf</strong> Generalisierungen beruht und mit dessen Hilfe spätere<br />
Aufgaben bewältigt werden. Die Beständigkeit derartiger Sozialisationseffekte hängt<br />
naturgemäß vom Charakter der familialen Beziehungs- und Kommunikationsstrukturen ab.<br />
Entscheidende Bedeutung kommt dabei der Qualität der frühkindlichen Bindungen zu. Wie<br />
die <strong>auf</strong> Bowlby zurückgehende Bindungsforschung lehrt (Hill/Kopp 2008: 75 f.), schaffen<br />
frühkindliche Bindungen ein Fundament psychischer Sicherheit und damit entscheidende<br />
Entwicklungsvoraussetzungen für kindliches Erkundungs- und Spielverhalten (Grossmann<br />
1976: 291, Grossmann/Grossmann 2004).<br />
55<br />
Aus Band I, Sozialisationsleistungen von Familien, Johann J. Hagen.<br />
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