5. Familienbericht 1999 - 2009 auf einen Blick - BMWA
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FAMILIENBERICHT <strong>1999</strong> – <strong>2009</strong> AUF EINEN BLICK<br />
wird. Derartigen Annahmen über den Zeitnotstand in Österreichs Familien stehen jedoch<br />
vergleichsweise spärliche empirische Befunde gegenüber (exemplarisch Kränzl-Nagl et al.<br />
2006a). Auch Kinder werden oft als termingeplagt dargestellt. Empirisch gesehen lässt sich<br />
dies ebenfalls nicht stützen, da der Großteil der Kinder über ein ausbalanciertes Ausmaß<br />
von freien Zeitkapazitäten und institutionellen Terminen verfügt (Hofferth 2008, Wilk/Bacher<br />
1994, Zinnecker et al. 2002). Die eigentlichen Probleme für bestimmte Kinder bestehen<br />
nach dem internationalen Forschungsstand eher in atypischen, wenig vorhersagbaren<br />
Arbeitszeiten der Eltern (Han 2008, Lange <strong>2009</strong>a) sowie in der Inanspruchnahme der Familien<br />
durch das Bildungssystem (Münch <strong>2009</strong>: 65, Wolf <strong>2009</strong>).<br />
Zeit schafft Familie<br />
Die gemeinsame Zeit von Familienmitgliedern gilt als eine der wichtigsten Ressourcen zur<br />
Herstellung von Familie. Das gilt in lebensl<strong>auf</strong>bezogener Sicht wie mit <strong>Blick</strong> <strong>auf</strong> den Alltag<br />
(Lüscher/Wehrspaun 1986). So zeigt sich beispielsweise, dass gerade in der Phase der<br />
Paarkonstitution das gemeinsame Verbringen von Zeit essenziell ist, um eine Basis für die<br />
Fortführung und Etablierung der Partnerschaft zu schaffen (Lenz <strong>2009</strong>). Mit <strong>Blick</strong> <strong>auf</strong> den<br />
Alltag wird das selbstgewählte Teilen von Zeiträumen als essenziell für die Herausbildung<br />
von Wohlbefinden, Kompetenzen und Sozialkapital angesehen. Dies ist wiederum Voraussetzung<br />
für die vielfältigen Leistungen von Familien für sich selbst und die Gesellschaft<br />
(z. B. Haushaltsführung, Gesundheits- und Erholungsleistungen, emotionale Stabilisierung<br />
der Familienmitglieder, Sozialisation, Erziehung und Unterstützung der Bildungsl<strong>auf</strong>bahnen<br />
der Kinder, Pflege- und Sorgeleistungen für ältere Familienmitglieder). Aufgrund des sozialen<br />
Wandels kann allerdings, so die These von Familienforscher/-innen, die notwendige<br />
Ressource Zeit nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden.<br />
Anforderungen an Familienzeiten<br />
Das Bedürfnis von Kindern nach gemeinsamer Zeit mit den Eltern nimmt mit zunehmendem<br />
Alter zwar ab, der Wunsch nach Zuwendung bzw. Verfügbarkeit der Eltern bleibt aber auch<br />
im Schulalter bestehen (Kränzl-Nagl et al. 2006 a, b). Auch Jugendliche fragen Elternzeit<br />
in existenziell wichtigen Fragen nach (Walper 2008) und schätzen emotionale Wärme und<br />
Vertrautheit daheim (Turtiainen et al. 2007). Insbesondere bei Mahlzeiten genießen sie das<br />
Miteinander und die Kommunikationsmöglichkeiten (Bartsch 2008, Setzwein 2004, Küster<br />
<strong>2009</strong>). Vor diesem Hintergrund sind elterliche Arbeitszeiten, die genau dieses geschätzte<br />
Familienritual – das insbesondere in den Abendzeiten vollzogen wird – erschweren, als<br />
familienfeindlich einzuschätzen (Jacob et al. 2008). Jurczyk (<strong>2009</strong>: 50) weist allerdings<br />
dar<strong>auf</strong> hin, dass es weniger die Bewegungen der Erwerbsarbeits(zeit-)strukturen sind, die<br />
Vereinbarkeitsprobleme von Familie und Beruf in zeitlicher Hinsicht schaffen, als vielmehr<br />
die Gleichzeitigkeit von Veränderungen <strong>auf</strong> unterschiedlichen Ebenen.<br />
Arbeitszeit und Familienzeit<br />
Der <strong>auf</strong>fälligste Wandel der Arbeitszeit in den letzten 20 Jahren besteht in der Erosion<br />
des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses. Der Anteil der Erwerbstätigen mit einer<br />
Standardarbeitszeit zwischen 35 und 40 Stunden nimmt ab (Garhammer 2003, 2005). Es<br />
kommt zu Aufweichungen an beiden Rändern: Einer Gruppe der voll Erwerbstätigen, die<br />
länger als 48 Stunden in der Woche beschäftigt ist, steht heute ein wachsender Anteil mit<br />
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