5. Familienbericht 1999 - 2009 auf einen Blick - BMWA
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FAMILIENBERICHT <strong>1999</strong> – <strong>2009</strong> AUF EINEN BLICK<br />
Familienpolitik in Europa 64<br />
Die Europäische Union ist keine familienpolitische Akteurin, zahlreiche EU-<br />
Zielvorgaben haben jedoch Konsequenzen für Familien. Von den europäischen<br />
Staaten werden unterschiedliche Typen von Familienpolitik betrieben – mit unterschiedlichen<br />
Zielen und Resultaten.<br />
Familienpolitik gewann im L<strong>auf</strong>e des 20. Jahrhunderts als Politikfeld ständig an Bedeutung.<br />
Das zeigt sich allein schon daran, dass tendenziell immer mehr Mittel in diesem Bereich<br />
eingesetzt werden. Familienpolitik ist – in Analogie zu jedem anderen Politikfeld („policy”)<br />
– staatliche bzw. kollektive Einflussnahme <strong>auf</strong> Strukturen und Entwicklungsprozesse von<br />
Familien entsprechend der durch politische Willensbildung historisch entstandenen Präferenzen<br />
und Prioritäten. Die eingesetzten Mittel sind jene, über die jeder funktionierende<br />
Staat als Handlungsträger verfügt. Dabei geht es einerseits um klassische rechtliche Instrumente<br />
(Gesetze, Verordnungen), andererseits um materielle Anreize (Transferleistungen<br />
oder Steuern) sowie um die Bereitstellung von Infrastruktur (insbesondere Kinderkrippen,<br />
Kindergärten, Schulen, anderen Formen der Kinderbetreuung). Deren Kosten können<br />
öffentlich oder privat oder häufig in kombinierter Weise <strong>auf</strong>gebracht werden, jedoch muss<br />
ein staatlicher Mitteleinsatz für die Errichtung einmal gegeben sein. Schließlich kann man<br />
zu den Mitteln der Familienpolitik auch die Entwicklung von Leitbildern zählen: die von<br />
staatlichen Akteuren explizit gewünschten, privilegierten oder implizit geförderten Formen<br />
des Zusammenlebens von Erwachsenen und Kindern.<br />
Familienpolitik regelt ein komplexes Feld, weil Familie für die meisten Menschen eine zentrale<br />
und vieldimensionale soziale Einheit ist. Sie ist zentraler Bezugspunkt für die Lebenswerte<br />
fast aller Menschen und damit für ihren jeweiligen Lebensplan. Sie ist in diesem<br />
Sinn selbst Wert – und dies umso mehr, als sich moderne und postmoderne Gesellschaften<br />
ständig deutlicher individualisieren. Somit ist die Familie auch der Ansatzpunkt für sehr<br />
unterschiedliche Politikbereiche. Das bevölkerungspolitische Ziel, die Zahl der Geburten zu<br />
stabilisieren oder sogar zu erhöhen, ist dabei kein unwichtiges, aber nur eines unter mehreren.<br />
Andere Politikbereiche setzen ebenfalls an der Familie an, können aber durchaus im<br />
Konflikt zur bevölkerungspolitischen Zielsetzung stehen. Dies gilt zweifellos für einige Ziele<br />
der Gesellschafts- und insbesondere der Frauenpolitik.<br />
Die Europäische Union und Familienpolitik<br />
Die Europäische Union formuliert keine explizite familienpolitische Strategie und versteht<br />
sich somit nicht als Akteur der Familienpolitik. Doch in einer Fülle von Zielvorgaben werden<br />
familienpolitisch relevante Bereiche adressiert: Wenn etwa in den sogenannten Barcelona-<br />
Zielen eine Betreuungsquote von 90 % für den Besuch drei- bis fünfjähriger Kinder für<br />
Hort- und Kindergarten vorgegeben werden, welche innerhalb einer bestimmten Zeit zu<br />
erreichen sind, dann ist dies nicht nur eine bildungspolitische, sondern auch eine familienpolitische<br />
Maßnahme.<br />
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Aus Band I, Familienpolitik in Österreich und Europa, Rainer Münz und Albert F. Reiterer.<br />
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