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Wo ist der Beweis? Plädoyer für eine evidenzbasierte Medizin ...

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192 Richtige Forschung geht uns alle anim Sterben liegen – möglicherweise mehr schaden als nützen. Wirhaben bereits an an<strong>der</strong>er Stelle darauf hingewiesen, dass diese Artvon Lobbyismus durch Patienten und ihre Fürsprecher im Hinblickauf die «mitfühlende» Zulassung «vielversprechen<strong>der</strong>» neuer medikamentöserTherapien <strong>für</strong> AIDS auch s<strong>eine</strong> Schattenseiten hat: DieIdentifizierung von Therapien, die auf patientenrelevante Ergebnisseausgerichtet sind, wurde dadurch verzögert; so hat sich z. B. in <strong>der</strong>jüngeren Vergangenheit die Fürsprache durch falsch informierteEinzelpersonen bzw. Patientengruppen kontraproduktiv auf dieVerordnung von Medikamenten gegen multiple Sklerose (MS) undBrustkrebs ausgewirkt.Mitte <strong>der</strong> 1990er-Jahre wurden Interferone zur Behandlung vonPatienten mit schubförmig remittieren<strong>der</strong> MS auf <strong>der</strong> Grundlagespärlicher Wirksamkeitsnachweise zugelassen. Sehr schnell verlangtenalle Patienten mit allen möglichen MS-Formen nach diesenkostspieligen Medikamenten, und ihre Anwendung wurde von denKrankenkassen sogar finanziert. Interferone wurden zu <strong>eine</strong>r anerkanntenStandardtherapie <strong>für</strong> diese kräftezehrende Krankheit. Infolgedessenwerden wir niemals erfahren, wie man Interferone beimultipler Sklerose richtig verordnet – darüber wurde nie geforscht,und mittlerweile <strong>ist</strong> es zu spät, um die Uhr zurückzudrehen. ImLaufe <strong>der</strong> Zeit <strong>ist</strong> <strong>eine</strong>s aber ganz deutlich geworden: Interferonehaben unangenehme Nebenwirkungen wie z. B. «grippeähnliche»Symptome.Auch Herceptin (Trastuzumab) <strong>ist</strong>, wie wir in Kapitel 1, S. 42–44, erläutert haben, kein Wun<strong>der</strong>medikament, das allen Brustkrebs-Patientinnenhilft. Zunächst einmal hängt s<strong>eine</strong> Wirksamkeitvon <strong>eine</strong>r beson<strong>der</strong>en genetischen Konstellation des Tumors ab, dienur bei <strong>eine</strong>r von fünf Frauen mit Brustkrebs vorliegt. Zudem hatdas Medikament potenziell schwerwiegende kardiale Nebenwirkungen.Und doch wurden Politiker von Patientenvertretern durchSchüren des Medienrummels dazu gebracht, mit dem Strom <strong>der</strong>öffentlichen Meinung zu schwimmen: Die Anwendung von Herceptinwurde offiziell empfohlen, ohne sich groß um die vorhandeneEvidenz bzw. die Erkenntnis zu kümmern, dass weitere Belege<strong>für</strong> ein ausgewogenes Verhältnis von Vor- und Nachteilen nochausstanden.© 2013 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, BernDieses Dokument <strong>ist</strong> nur <strong>für</strong> den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in k<strong>eine</strong>r Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden.Aus: Imogen Evans, Hazel Thornton, Iain Chalmers, Paul Glasziou; <strong>Wo</strong> <strong>ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Beweis</strong>? – <strong>Plädoyer</strong> <strong>für</strong> <strong>eine</strong> <strong>evidenzbasierte</strong> <strong>Medizin</strong>. 1. Auflage.

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