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Wo ist der Beweis? Plädoyer für eine evidenzbasierte Medizin ...

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Früher <strong>ist</strong> nicht zwangsläufig besser 69auch ohne Behandlung manchmal vollkommen verschwinden – einPhänomen, das man als Spontanheilung o<strong>der</strong> Spontanregressionbezeichnet. 4Aus vier Gründen war das Neuroblastom ein verlockendesScreeningziel: Man wusste erstens, dass Kin<strong>der</strong>, bei denen die Diagnosevor dem ersten Lebensjahr gestellt wird, <strong>eine</strong> bessere Prognosehaben als Kin<strong>der</strong>, bei denen das Neuroblastom später diagnostiziertwird; zweitens war bekannt, dass es Kin<strong>der</strong>n mit fortgeschrittenerErkrankung deutlich schlechter ergeht als Kin<strong>der</strong>n mit <strong>eine</strong>m Neuroblastomim Frühstadium; dass es drittens <strong>eine</strong>n einfachen undkostengünstigen Screeningtest gibt, bei dem man nur die feuchteWindel abtupfen und bestimmte Substanzen im Urin messen muss;und dass man viertens durch diesen Test neun von zehn Kin<strong>der</strong>nmit <strong>eine</strong>m Neuroblastom identifizieren kann. 5Das Massenscreening auf ein Neuroblastom bei Säuglingen imAlter von sechs Monaten wurde erstmals 1985 in Japan eingeführt.Während <strong>der</strong> ersten drei Jahre <strong>der</strong> landesweiten Screeningaktionwurden mehr als 337 Säuglinge diagnostiziert, von denen 1990 nachTherapie noch 97 % am Leben waren. Aber auch 20 Jahre später gabes k<strong>eine</strong> Belege da<strong>für</strong>, dass das Neuroblastom-Screening die Anzahl<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, die an dieser Krebsart verstarben, reduzierte. Wie konntedas sein?Als man die Evidenz, auf <strong>der</strong>en Grundlage das Screening in Japaneingeführt und geför<strong>der</strong>t worden war, genauer unter die Lupenahm, stellte sich heraus, dass sie ernsthafte Schwachstellen aufwies– doch hatte man auch gleich <strong>eine</strong> Erklärung bei <strong>der</strong> Hand. Diebeeindruckende Zahl von 97 % Überlebenden veranschaulicht denEffekt <strong>eine</strong>s Phänomens, dass man fachsprachlich als «Length-Time-Bias» o<strong>der</strong> «Überdiagnose-Bias» bezeichnet. Es bedeutet, dassScreening sich am besten zur Erkennung von langsam fortschreitendenKrankheiten eignet (in diesem Fall langsam wachsen<strong>der</strong> Tumoren).Schnell wachsende Tumoren werden dagegen durch ein solchesScreening eher seltener entdeckt; sie äußern sich beim Säuglingvielmehr in Krankheitssymptomen – beispielsweise <strong>eine</strong>r Schwellungim Abdomen (Bauchraum) –, <strong>der</strong>etwegen die Eltern ohnehinme<strong>ist</strong> unverzüglich ärztlichen Rat einholen. Diese schnell wachsendenTumoren sind sehr viel gefährlicher als die langsam wachsen-© 2013 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, BernDieses Dokument <strong>ist</strong> nur <strong>für</strong> den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in k<strong>eine</strong>r Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden.Aus: Imogen Evans, Hazel Thornton, Iain Chalmers, Paul Glasziou; <strong>Wo</strong> <strong>ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Beweis</strong>? – <strong>Plädoyer</strong> <strong>für</strong> <strong>eine</strong> <strong>evidenzbasierte</strong> <strong>Medizin</strong>. 1. Auflage.

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