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Wo ist der Beweis? Plädoyer für eine evidenzbasierte Medizin ...

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58 Mehr heißt nicht unbedingt besserEingriff zwar lokal genannt haben, doch <strong>ist</strong> <strong>eine</strong> radikale Mastektomiealles an<strong>der</strong>e als lokal: Sie umfasst die Entfernung <strong>eine</strong>s großenTeils des Brustmuskels und des Lymphknotengewebes aus <strong>der</strong> Achselhöhleund <strong>der</strong> Brust selbst.Die klassische radikale Mastektomie (nach Halsted)Die im späten 19. Jahrhun<strong>der</strong>t von William Halsted entwickelte radikale Mastektomiewar bis in das dritte Quartal des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts die am häufigsten durchgeführteOperation bei Brustkrebs. Dabei entfernte <strong>der</strong> Operateur nicht nur diegesamte Brust, son<strong>der</strong>n auch den großen Brustmuskel (Musculus pectoralis major),<strong>der</strong> die Brustwand überzieht. Damit <strong>der</strong> Operateur <strong>eine</strong>n leichteren Zugangzur Achselhöhle (Axilla) hatte, um dort die Lymphknoten und das umgebendeFettgewebe ausräumen zu können, wurde zudem auch noch <strong>der</strong> kl<strong>eine</strong> Brustmuskel(Musculus pectoralis minor) entfernt.Die ausgedehnt radikale MastektomieDer Glaube, mehr sei besser, veranlasste radikale Operateure dazu, sogar nochausgedehntere Operationen vorzunehmen, bei denen auch die Lymphknotenkettenunter dem Schlüsselbein und die Mammaria-interna-Lymphknoten unter demBrustbein entfernt wurden. Um an die Mammaria-interna-Lymphknoten zu gelangen,mussten mehrere Rippen entfernt und das Brustbein mit <strong>eine</strong>m Meißelgespalten werden. Damit noch nicht zufrieden, gingen einige Operateure sogarso weit, auch noch den Arm auf <strong>der</strong> betroffenen Seite zu amputieren und imganzen Körper diverse Drüsen (Nebennieren, Hypophyse, Eierstöcke) herauszuschneiden,um die Produktion von Hormonen zu unterdrücken, von denen manannahm, dass sie die Ausbreitung des Tumors begünstigten.Wenn <strong>eine</strong> Frau solche Operationen überlebte, behielt sie <strong>eine</strong>n stark verstümmeltenBrustkorb zurück, was sich auch durch Kleidung nur schwer verbergenließ. War die Operation auf <strong>der</strong> linken Seite durchgeführt worden, dann blieb dortnur <strong>eine</strong> dünne Hautschicht zur Abdeckung des Herzens übrig.Nach: Lerner BH. The breast cancer wars: hope, fear and the pursuit of a curein twentieth-century America. New York; Oxford University Press, 2003.Nichtsdestotrotz bemerkten etliche aufmerksame Brustkrebsspezial<strong>ist</strong>en,dass diese zunehmend verstümmelnden Operationen ansch<strong>eine</strong>ndüberhaupt k<strong>eine</strong>n Einfluss auf die brustkrebsbedingtenSterblichkeitsraten hatten (Abb. 4). Deshalb stellten sie <strong>eine</strong> ganzan<strong>der</strong>e Theorie auf: Danach breitete sich <strong>der</strong> Brustkrebs nicht von<strong>der</strong> Brust über die nahe gelegenen Lymphknoten aus, son<strong>der</strong>n eshandelte sich dabei von Anfang an um <strong>eine</strong> systemische (d. h. denganzen Körper betreffende) Krankheit. Mit an<strong>der</strong>en <strong>Wo</strong>rten: Siegingen davon aus, dass zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Entdeckung des Knotensin <strong>der</strong> Brust an<strong>der</strong>swo im Körper bereits Krebszellen vorhanden© 2013 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, BernDieses Dokument <strong>ist</strong> nur <strong>für</strong> den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in k<strong>eine</strong>r Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden.Aus: Imogen Evans, Hazel Thornton, Iain Chalmers, Paul Glasziou; <strong>Wo</strong> <strong>ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Beweis</strong>? – <strong>Plädoyer</strong> <strong>für</strong> <strong>eine</strong> <strong>evidenzbasierte</strong> <strong>Medizin</strong>. 1. Auflage.

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