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Wo ist der Beweis? Plädoyer für eine evidenzbasierte Medizin ...

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70 Früher <strong>ist</strong> nicht zwangsläufig besserden. Langsam wachsende Neuroblastome haben im Allgem<strong>eine</strong>n<strong>eine</strong> gute Prognose; auch <strong>eine</strong> Spontanregression <strong>ist</strong> möglich (s. o.). 6So gesehen hätten die 337 mittels Screening diagnostizierten Fällegrößtenteils ohnehin <strong>eine</strong> gute Prognose gehabt; dagegen warendie Säuglinge mit <strong>der</strong> potenziell ungünstigsten Prognose nicht indieser Gruppe enthalten. Und natürlich wurden durch das Screeningauch Neuroblastome entdeckt, die von allein wie<strong>der</strong> verschwundenwären. Ohne das Screening hätte niemand jemals von <strong>der</strong> Ex<strong>ist</strong>enzdieser Tumoren erfahren; das Screening hat durch diese Überdiagnostizierungaus den betroffenen Säuglingen Patienten gemacht, diedaraufhin unnötigen behandlungsbedingten Leiden ausgesetztwurden.Zudem hatte bei <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> ermutigenden Ergebnisse auskl<strong>eine</strong>n Studien, die den Anlass zur Durchführung <strong>eine</strong>s landesweitenScreenings in Japan gegeben hatten, anfangs die Überlebensdauervom Zeitpunkt ab <strong>der</strong> Neuroblastomdiagnose im Mittelpunktgestanden und nicht die Überlebensdauer seit <strong>der</strong> Geburt.Dies <strong>ist</strong> wichtig, weil <strong>eine</strong> frühere Diagnose nicht automatisch dazuführt, dass die Patienten länger leben – sie leben lediglich längereZeit mit <strong>eine</strong>m Krankheitsetikett. An<strong>der</strong>s ausgedrückt: Die Kin<strong>der</strong>sch<strong>eine</strong>n ihre Diagnose länger zu «überleben», weil die «Krankheitsuhr»früher zu ticken beginnt (Abb. 5). Dies <strong>ist</strong> ein Beispiel <strong>für</strong><strong>eine</strong> an<strong>der</strong>e Art von systematischem Fehler (Bias), die man als«Leadtime-Bias» (Vorlaufzeit-Bias) bezeichnet und <strong>der</strong> sich dadurchausschalten lässt, dass man die Ergebnisse nach Geburtsdatum<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und nicht nach ihrem Alter bei <strong>der</strong> Diagnosestellungauswertet.Anhand unverzerrter wissenschaftlicher Belege aus klinischenStudien, die unter Beteiligung von insgesamt drei Millionen Kin<strong>der</strong>nin Kanada und Deutschland durchgeführt worden waren,konnten die Wissenschaftler k<strong>eine</strong>rlei Nutzen <strong>für</strong> dieses Screeningnachweisen, da<strong>für</strong> stießen sie aber auf offensichtliche schädlicheAuswirkungen. 7 Dazu zählten ungerechtfertigte operative Eingriffeund Chemotherapien, die beide mit schwerwiegenden unerwünschtenWirkungen einhergehen können. Im Lichte dieser Evidenz wurdedas Neuroblastom-Screening bei Säuglingen in Japan 2004gestoppt.© 2013 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, BernDieses Dokument <strong>ist</strong> nur <strong>für</strong> den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in k<strong>eine</strong>r Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden.Aus: Imogen Evans, Hazel Thornton, Iain Chalmers, Paul Glasziou; <strong>Wo</strong> <strong>ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Beweis</strong>? – <strong>Plädoyer</strong> <strong>für</strong> <strong>eine</strong> <strong>evidenzbasierte</strong> <strong>Medizin</strong>. 1. Auflage.

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