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Wo ist der Beweis? Plädoyer für eine evidenzbasierte Medizin ...

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Früher <strong>ist</strong> nicht zwangsläufig besser 77Überdiagnostizierung des Prostatakarzinoms«Das Prostatakarzinom gilt als Paradebeispiel <strong>für</strong> Überdiagnostizierung. Das bedeutetnicht, dass es nicht Männer gibt, die durch die Früherkennung vor <strong>eine</strong>mvorzeitigen, durch Prostatakrebs bedingten Tod bewahrt werden. Aber … es gibtkaum <strong>eine</strong> Möglichkeit, vorab festzustellen, welche Männer von <strong>eine</strong>m Screeningprofitieren und welche sich unnötigerweise <strong>eine</strong>r Therapie unterziehen – oftmalsmit einschneidenden unerwünschten Folgen <strong>für</strong> ihr Leben. Das wesentlicheProblem besteht darin, dass wir durch das Prostatakrebs-Screening und die Untersuchungensehr viel mehr Prostatakarzinome entdecken als jemals zuvor, undso merkwürdig das auch anmuten mag: Viele dieser Karzinome würden niemalszu <strong>eine</strong>r Lebensbedrohung werden. In <strong>der</strong> Vergangenheit hätten diese Männerniemals erfahren, dass sie an Prostatakarzinom erkrankt sind. Sie wären nichtwegen ihres Prostatakarzinoms, son<strong>der</strong>n mit ihm, d. h. an etwas an<strong>der</strong>em, verstorben.Durch den Nachweis all dieser indolenten (schmerzlosen) Prostatakarzinomeerhalten heutzutage mehr Männer die Diagnose Prostatakrebs als jemals zuvor– daher auch <strong>der</strong> Begriff ‹Überdiagnose›. Dies <strong>ist</strong> das Grunddilemma, vor demje<strong>der</strong> Mann steht, <strong>der</strong> <strong>eine</strong>n solchen Screeningtest in Erwägung zieht.»Chapman S, Barratt A, Stockler M. Let sleeping dogs lie?What men should know before getting tested for prostate cancer. Sydney:Sydney University Press, 2010: S. 25Der Entdecker des PSA meldet sich zu <strong>Wo</strong>rt«Die Popularität des PSA-Tests hat ein immens kostspieliges Public-Health-Desasterausgelöst. Dies <strong>ist</strong> ein Punkt, dessen ich mir schmerzlich bewusst bin – dennich war es, <strong>der</strong> das PSA 1970 entdeckt hat. …Amerikaner geben enorm viel Geld <strong>für</strong> Untersuchungen zur Früherkennung vonProstatakrebs aus. Die jährlichen Kosten <strong>für</strong> das PSA-Screening belaufen sich aufmindestens 3 Milliarden Dollar; ein Großteil dieser Summe wird von <strong>der</strong> öffentlichenKrankenversicherung Medicare und <strong>der</strong> Veteranen-VersorgungsbehördeVeterans Benefit Admin<strong>ist</strong>ration aufgebracht.Das Prostatakarzinom mag zwar in <strong>der</strong> Presse <strong>eine</strong> hohe Aufmerksamkeit genießen,aber sehen wir uns einmal die Zahlen dazu an: Bei amerikanischen Männernliegt die Lebenszeitwahrscheinlichkeit, mit <strong>eine</strong>m Prostatakarzinom diagnostiziertzu werden, bei 16 %; die Wahrscheinlichkeit, daran zu versterben, beträgt dagegennur 3 %. Das liegt daran, dass die Mehrzahl <strong>der</strong> Prostatakarzinome langsamwächst. Mit an<strong>der</strong>en <strong>Wo</strong>rten: Männer, die das Glück haben, ein hohes Alter zuerreichen, sterben sehr viel eher mit als wegen Prostatakrebs.Und selbst dann <strong>ist</strong> <strong>der</strong> Test kaum effizienter, als <strong>eine</strong> Münze zu werfen. Seit vielenJahren versuche ich nun schon klarzustellen, dass <strong>der</strong> PSA-Test ein Prostatakarzinomnicht nachweisen kann. Was aber noch viel wichtiger <strong>ist</strong>: Er kann nicht zwischenden beiden Typen des Prostatakarzinoms unterscheiden – dem, das tödlichverläuft, und dem, das nicht tödlich <strong>ist</strong>.»Ablin RJ. The great prostate m<strong>ist</strong>ake. New York Times, 10. März 2010.© 2013 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, BernDieses Dokument <strong>ist</strong> nur <strong>für</strong> den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in k<strong>eine</strong>r Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden.Aus: Imogen Evans, Hazel Thornton, Iain Chalmers, Paul Glasziou; <strong>Wo</strong> <strong>ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Beweis</strong>? – <strong>Plädoyer</strong> <strong>für</strong> <strong>eine</strong> <strong>evidenzbasierte</strong> <strong>Medizin</strong>. 1. Auflage.

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