Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2005 - Beispielklagen
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Deutscher Bun<strong>des</strong>tag – 16. Wahlperiode – 115 – Drucksache 16/160<br />
8.1<br />
Die Bun<strong>des</strong>regierung hatte im September 2000 angekündigt,<br />
bis Ende <strong>2005</strong> alle internetfähigen Dienstleistungen<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> online zur Verfügung zu stellen. Im Juli 2001<br />
beauftragte das Bun<strong>des</strong>kabinett das Bun<strong>des</strong>ministerium<br />
<strong>des</strong> Innern (Bun<strong>des</strong>ministerium), diese „BundOnline <strong>2005</strong>“<br />
genannte eGovernment-Initiative zu koordinieren. Daraufhin<br />
erteilte das Bun<strong>des</strong>ministerium einem Beratungsunternehmen<br />
in freihändiger Vergabe den Auftrag, bis Oktober<br />
2001 einen Umsetzungsplan zu erarbeiten. Die Vergabeart<br />
begründete das Bun<strong>des</strong>ministerium damit, in<br />
Deutschland seien nur drei Beratungsunternehmen (eine<br />
Aktiengesellschaft und zwei Gesellschaften mit beschränkter<br />
Haftung) in der Lage gewesen, den Umsetzungsplan<br />
so kurzfristig zu erstellen. Eines der Unternehmen<br />
habe kein Angebot abgegeben. Ein zweites, <strong>des</strong>sen<br />
Angebot deutlich kostengünstiger gewesen sei, habe bei<br />
seiner Präsentation einen weniger leistungsstarken Eindruck<br />
als das ausgewählte Unternehmen vermittelt. Obwohl<br />
sich der Auftragswert auf etwa 1,5 Mio. Euro belaufen<br />
sollte, sei ein EU-weites Vergabeverfahren nicht<br />
notwendig gewesen; bei dem Umsetzungsplan habe es<br />
sich um eine Entwicklungsleistung eines „freiberuflich tätigen<br />
Unternehmens“ gehandelt.<br />
Der Vertrag mit dem Beratungsunternehmen war bis zum<br />
Jahresende 2001 befristet, beinhaltete aber eine Verlängerungsoption,<br />
auf deren Grundlage das Beratungsunternehmen<br />
noch vor Ende 2001 weitere Aufträge über<br />
200 000 Euro erhielt. Im Jahre 2002 erteilte das Bun<strong>des</strong>ministerium<br />
nochmals drei Aufträge für weitere Leistungen<br />
mit einer Vergütung von mehr als der vierfachen<br />
Höhe <strong>des</strong> Ursprungsvertrages (insgesamt 6,5 Mio. Euro).<br />
Die Berater sollten nunmehr die zentrale Koordination<br />
von „BundOnline <strong>2005</strong>“ durch das Bun<strong>des</strong>ministerium,<br />
insbesondere durch Vorbereitung und Durchführung von<br />
Ressortbesprechungen, durch Erstellen von Präsentationsunterlagen<br />
sowie durch Steuerung und Hilfestellung bei<br />
BundOnline-Projekten vor Ort unterstützen.<br />
Das mit dem Beratungsunternehmen vereinbarte Bruttohonorar<br />
betrug rund 2 600 Euro pro Berater und Tag.<br />
Demgegenüber beliefen sich die durchschnittlichen Honorare<br />
für vergleichbare Leistungen nach Angaben der<br />
Dachverbände der Unternehmensberatungen zu dieser<br />
Zeit auf 1 300 Euro bis 1 350 Euro pro Beratertag.<br />
Fast zeitgleich mit den Folgeaufträgen an das Beratungsunternehmen<br />
führte das für die Beschaffungen im gesamten<br />
Geschäftsbereich <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>ministeriums zuständige<br />
Beschaffungsamt im Mai 2002 ein europaweites Vergabeverfahren<br />
für Projektunterstützungskräfte durch. Diese<br />
sollten die Bun<strong>des</strong>verwaltung bei der Realisierung ihrer<br />
Online-Dienstleistungen im Internet unterstützen. An dem<br />
Vergabeverfahren nahm auch das bislang vom Bun<strong>des</strong>ministerium<br />
beauftragte Unternehmen als Bieter teil. Sein<br />
Angebot schied jedoch aus, da es preislich am höchsten<br />
und in der Leistungsbewertung niedriger lag.<br />
8.2<br />
Der Bun<strong>des</strong>rechnungshof hat beanstandet, dass das Bun<strong>des</strong>ministerium<br />
die Leistungen im Juli 2001 ohne EUweiten<br />
Wettbewerb vergeben hat. Dabei handelte es sich<br />
um typische Dienstleistungen der Beratung sowie der<br />
Leitungs- und Einführungsunterstützung einer ministeriellen<br />
Projektleitung auf dem Gebiet der Organisation<br />
und der Informations- und Kommunikationstechnik.<br />
Der Bun<strong>des</strong>rechnungshof hat die Auffassung vertreten,<br />
dass die vom Bun<strong>des</strong>ministerium gewählte Vergabeart sich<br />
nicht mit der Eilbedürftigkeit der vergebenen Leistungen<br />
begründen lässt; der Bedarf ist so früh bekannt gewesen,<br />
dass das Bun<strong>des</strong>ministerium die Vergabe der notwendigen<br />
Beratungsdienstleistungen hinreichend vorbereiten und<br />
unmittelbar nach der Kabinettsentscheidung europaweit<br />
hätte durchführen können. Der Hinweis, bei dem Auftrag<br />
habe es sich um die Leistung eines „freiberuflich tätigen<br />
Unternehmens“ gehandelt, kann den Verzicht auf einen<br />
angemessenen Wettbewerb nicht rechtfertigen, weil alle<br />
drei zum Angebot aufgeforderten Unternehmen aufgrund<br />
ihrer Rechtsform nicht freiberuflich tätig waren. Ein Vergabeverfahren<br />
für die weiteren, noch vor Ende 2001, insbesondere<br />
aber im Jahre 2002 zu vergebenden Leistungen<br />
hätte zu deutlich günstigeren Konditionen geführt, wie<br />
das Ergebnis eines vergleichbaren Vergabeverfahrens <strong>des</strong><br />
Beschaffungsamtes zeigte. So ist das vereinbarte Tagesbruttohonorar<br />
von rund 2 600 Euro pro Berater rund doppelt<br />
so hoch wie die am Markt durchschnittlich gezahlten<br />
Beratungshonorare und damit weit überhöht gewesen.<br />
Aus der Differenz zwischen dem vom Bun<strong>des</strong>ministerium<br />
vereinbarten und am Markt gezahlten Honorar errechnen<br />
sich für das Jahr 2002 Mehrausgaben von über 2,2 Mio.<br />
Euro; sie hätten über eine EU-weite Vergabe der IT-Projektberatungsdienstleistungen<br />
deutlich vermindert werden<br />
können.<br />
Der Bun<strong>des</strong>rechnungshof hat das Bun<strong>des</strong>ministerium aufgefordert,<br />
künftig Dienstleistungen grundsätzlich im offenen<br />
Verfahren zu vergeben. Außerdem hat er das Bun<strong>des</strong>ministerium<br />
gebeten, die Haftungs- und Regressfrage<br />
hinsichtlich der freihändigen Vergaben zu überhöhten<br />
Preisen in den Jahren 2001 und 2002 zu prüfen.<br />
8.3<br />
Das Bun<strong>des</strong>ministerium hat mitgeteilt, die erforderlichen<br />
Beratungsleistungen hätten vor der Vergabe aufgrund der<br />
insgesamt in der Bun<strong>des</strong>verwaltung fehlenden eGovernment-Expertise<br />
nicht abschließend und eindeutig beschrieben<br />
werden können. Man habe erstmals einen ganzheitlichen<br />
und nachhaltigen Ansatz zur Reorganisation<br />
der Geschäftsprozesse der Bun<strong>des</strong>verwaltung durch Einsatz<br />
von IT verfolgen wollen, für den allein Unternehmen<br />
mit spezifischem Know-how in Frage gekommen seien.<br />
Erfahrungen mit großen eGovernment-Projekten anderer<br />
Staaten und vergleichbare Referenzen für die geplanten<br />
deutschen Aktivitäten hätten nur die damals zur Angebotsabgabe<br />
aufgeforderten Unternehmen gehabt. Die Terminsetzung<br />
durch den Kabinettbeschluss von Ende Juli