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Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2005 - Beispielklagen

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Drucksache 16/160 – 160 – Deutscher Bun<strong>des</strong>tag – 16. Wahlperiode<br />

Der Gesetzgeber wollte mit dem Abzinsungsgebot die<br />

Bildung von stillen Reserven beschränken und die Besteuerung<br />

nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit<br />

sicherstellen. Das Abzinsungsgebot sollte die steuerliche<br />

Bemessungsgrundlage verbreitern und als eine von zahlreichen<br />

Einzelmaßnahmen zur Gegenfinanzierung der<br />

Vergünstigungen aus dem Steuerentlastungsgesetz 1999/<br />

2000/2002 dienen. Bereits im Entstehungsjahr (Veranlagungszeitraum<br />

1999) erwartete der Gesetzgeber dadurch<br />

Mehreinnahmen von 245 Mio. Euro, die in den Folgejahren<br />

– nach Schwankungen – ansteigen sollten.<br />

31.1.2<br />

Der Bun<strong>des</strong>rechnungshof untersuchte mit Unterstützung<br />

<strong>des</strong> Prüfungsamtes <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> München, ob und wie<br />

Steuerpflichtige unverzinsliche Verbindlichkeiten und<br />

Rückstellungen abzinsten und wie die Finanzverwaltung<br />

dies prüfte. Dafür wählte er zum einen Steuerakten von<br />

Unternehmen zufällig aus. Zum anderen untersuchte er<br />

die Anwendung <strong>des</strong> Abzinsungsgebotes bei Unternehmen<br />

bestimmter Wirtschaftszweige, bei denen die Abzinsung<br />

betragsmäßig von Bedeutung sein konnte.<br />

Zum Anwendungsbereich <strong>des</strong> Abzinsungsgebotes stellte<br />

der Bun<strong>des</strong>rechnungshof fest, dass diesem Gebot nicht<br />

alle bilanzierenden Steuerpflichtigen unterliegen. Das<br />

Bun<strong>des</strong>ministerium der Finanzen (Bun<strong>des</strong>ministerium)<br />

hat im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden<br />

der Länder bestimmte Wirtschaftszweige von der Verpflichtung<br />

zur Abzinsung von Rückstellungen ausgenommen.<br />

So müssen Unternehmen im Bereich der Braun- und<br />

Steinkohle im Regelfall keine Abzinsung vornehmen.<br />

Vergleichbares gilt für Betreiber von Abfalldeponien. Außerdem<br />

können Steuerpflichtige die Abzinsung der Verbindlichkeiten<br />

durch Vereinbarung eines geringen Zinssatzes<br />

vermeiden.<br />

Die Prüfung <strong>des</strong> Vollzuges der Gesetzesvorschrift ergab,<br />

dass die zutreffende Anwendung <strong>des</strong> Abzinsungsgebotes<br />

den Finanzämtern insbesondere folgende Schwierigkeiten<br />

bereitet:<br />

Aus den vom Bun<strong>des</strong>rechnungshof eingesehenen Steuerakten<br />

mit Steuererklärungen und Jahresabschlüssen ließ<br />

sich nicht erkennen, ob Verbindlichkeiten dem Grunde<br />

nach hätten abgezinst werden müssen. Entsprechend fehlten<br />

den Innendiensten der Finanzämter Erkenntnismöglichkeiten.<br />

Dies betraf sowohl die nach Wirtschaftszweigen<br />

wie auch die zufällig ausgewählten Fälle.<br />

Bei der Abzinsung von Rückstellungen war zu unterscheiden,<br />

ob es sich um nach Wirtschaftszweigen ausgewählte<br />

oder um zufällig ausgewählte Fälle handelte.<br />

Unternehmen der ausgewählten Wirtschaftsbereiche<br />

(z. B. Versicherungen, Energiewirtschaft) zinsten regelmäßig<br />

Rückstellungen ab. In diesen Fällen konnten die<br />

Bearbeiter der Finanzämter die Abzinsung der Höhe nach<br />

rechnerisch in der Regel nicht überprüfen.<br />

Zufällig ausgewählte Unternehmen zinsten ihre Rückstellungen<br />

hingegen nur in 2 % der eingesehenen Fälle ab.<br />

Auch hier konnten die Bearbeiter in den Finanzämtern die<br />

Abzinsung wegen fehlender Angaben zu den Berechnungsgrundlagen<br />

in der Regel nicht überprüfen. In 80 %<br />

der zufällig ausgewählten Fälle waren Rückstellungen<br />

nicht abzuzinsen, weil sie nach Aktenlage nur eine kurze<br />

Laufzeit hatten. In 18 % der Fälle hätten die Bearbeiter<br />

der Finanzämter die Anwendung <strong>des</strong> Abzinsungsgebotes<br />

prüfen müssen, da die Bilanzen mehrerer aufeinander folgender<br />

Jahre Rückstellungen in jeweils derselben Höhe<br />

enthielten. Gleichwohl klärten sie die Sachverhalte nicht<br />

auf. Die Betriebsprüfer untersuchten die Einhaltung <strong>des</strong><br />

Abzinsungsgebotes nur in bedeutsamen Steuerfällen. Sie<br />

räumten ein, dass die Höhe der Rückstellungen oftmals<br />

Gegenstand von Verhandlungen bei Schlussbesprechungen<br />

sei. Die Abzinsung gehe dabei häufig in der Verhandlungsmasse<br />

unter.<br />

31.1.3<br />

Der Bun<strong>des</strong>rechnungshof deckte eine begünstigende Behandlung<br />

für ein Unternehmen der öffentlichen Hand auf.<br />

Mehr als fünf Jahre war zwischen Bund und Ländern<br />

streitig, ob Verbindlichkeiten abzuzinsen sind, deren Verzinslichkeit<br />

vom Eintritt einer Bedingung abhängt. Die<br />

eine Auffassung bejahte die Pflicht zur Abzinsung, solange<br />

die Bedingung für eine Verzinsung nicht eingetreten<br />

war. Die andere Meinung lehnte eine Abzinsung ab.<br />

So nahm ein Flughafenbetreiber, deren Gesellschafter die<br />

Bun<strong>des</strong>republik Deutschland, ein Land und eine Gemeinde<br />

sind, hohe bedingt verzinsliche Darlehen zur Anschubfinanzierung<br />

auf. Die Abzinsung dieser Verbindlichkeiten<br />

hätte nach Angaben <strong>des</strong> Unternehmers<br />

ertragswirksame Auswirkungen in Höhe von insgesamt<br />

rund einer halben Milliarde Euro gehabt. Das Land, in<br />

dem der Flughafenbetreiber ansässig ist, hielt bedingt<br />

verzinsliche Verbindlichkeiten für nicht abzinsungspflichtig.<br />

Es blockierte mehrere Jahre die Verhandlungen<br />

in den zuständigen Bund-Länder-Gremien. Eine bevorstehende<br />

Einigung verzögerte ein anderes Land durch einen<br />

Einspruch. Auch dieses Land ist Gesellschafter eines<br />

Flughafenbetreibers. Die Gesellschaft erhielt ebenfalls<br />

Darlehen zur Anschubfinanzierung. Diese Darlehen wurden<br />

jedoch unverzinslich gewährt. Derzeit klagt dieser<br />

Flughafenbetreiber gegen die von der Finanzverwaltung<br />

dieses Lan<strong>des</strong> vorgenommene Abzinsung und die daraus<br />

folgende Gewinnerhöhung von mehreren Millionen Euro.<br />

Die Gesellschaft begründet ihre Klage damit, dass das<br />

Abzinsungsgebot gegen das steuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip<br />

verstoße und somit verfassungswidrig sei.<br />

31.2<br />

Die mit dem Abzinsungsgebot angestrebten Ziele sind<br />

nicht erreicht worden.<br />

Die Prüfungsergebnisse <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rechnungshofes begründen<br />

erhebliche Zweifel daran, ob sich die geplanten<br />

Steuermehreinnahmen erzielen lassen. Zwar fehlen genaue<br />

Zahlen über etwaige höhere Steuerzuflüsse wegen<br />

<strong>des</strong> Abzinsungsgebotes, weil die Steuereinnahmen kassenmäßig<br />

nicht entsprechend untergliedert ausgewiesen sind.

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