Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2005 - Beispielklagen
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Deutscher Bun<strong>des</strong>tag – 16. Wahlperiode – 99 – Drucksache 16/160<br />
geht die Bun<strong>des</strong>regierung davon aus, dass Deutschland<br />
mit einem Defizit von 3,4 % bzw. 3,1 % den Referenzwert<br />
nicht einhalten wird.<br />
2.8.1.3 Reform <strong>des</strong> Europäischen Stabilitäts- und<br />
Wachstumspaktes<br />
Der Europäische Rat hat auf seiner Frühjahrstagung am<br />
22. März <strong>2005</strong> und 23. März <strong>2005</strong> Vorschlägen <strong>des</strong><br />
ECOFIN-Rates für eine grundlegende Reform <strong>des</strong> Stabilitäts-<br />
und Wachstumspaktes zugestimmt, die nach ihrer<br />
Umsetzung Ende Juli <strong>2005</strong> 28 im Wesentlichen folgende<br />
Änderungen enthält:<br />
● Das mittelfristige Ziel eines nahezu ausgeglichenen<br />
oder einen Überschuss aufweisenden Haushaltes gilt<br />
im Grundsatz fort, kann sich jedoch für Mitgliedstaaten<br />
mit niedriger Staatsverschuldung und hohem<br />
Potenzialwachstum in einer Spanne von –1 % <strong>des</strong><br />
Bruttoinlandsprodukts bis zu einem ausgeglichenen<br />
oder einen Überschuss aufweisenden Haushalt bewegen.<br />
● Von Mitgliedstaaten, die das mittelfristige Ziel nicht<br />
erreicht haben, wird ein um Konjunktureffekte und<br />
Einmalmaßnahmen korrigierter Defizitabbau nach einem<br />
Richtwert von jährlich 0,5 % <strong>des</strong> Bruttoinlandsprodukts<br />
gefordert. In Zeiten günstiger Konjunktur<br />
soll der Richtwert überschritten werden; bei ungünstiger<br />
Konjunkturlage können die Anstrengungen geringer<br />
ausfallen.<br />
● Bei größeren Strukturreformen, die zu langfristigen<br />
Kosteneinsparungseffekten führen, darf der Defizitabbau<br />
vorübergehend in den Hintergrund treten. Dabei<br />
gelten besondere Regelungen für Rentenreformen,<br />
durch die ein Mehrsäulen-System eingeführt wird, zu<br />
dem eine gesetzliche, vollständig kapitalgedeckte<br />
Säule gehört.<br />
● Der Ausnahmetatbestand <strong>des</strong> schwerwiegenden Wirtschaftsabschwunges,<br />
wonach ein Überschreiten der<br />
Defizitquote nicht als übermäßiges Defizit gilt, wurde<br />
erweitert. Im Unterschied zur bisherigen Regelung,<br />
die auf den Rückgang <strong>des</strong> realen Bruttoinlandsprodukts<br />
von min<strong>des</strong>tens 2 % innerhalb eines Jahres<br />
abstellte, reichen jetzt eine negative Wachstumsrate<br />
in beliebiger Größe oder ein Produktionsrückstand<br />
über einen längeren Zeitraum bei geringem Wachstum<br />
aus.<br />
● „Sonstige einschlägige Faktoren“, die bei der Entscheidung<br />
über die Eröffnung eines Defizitverfahrens<br />
zu berücksichtigen sind, werden erstmals definiert und<br />
indikativ aufgeführt. Neben wirtschafts- und haus-<br />
28 Vgl. Verordnungen Nr. 1055/<strong>2005</strong> und 1056/<strong>2005</strong> <strong>des</strong> Europäischen<br />
Rates vom 27.06.<strong>2005</strong>, ABl. L 174 vom 07.07.<strong>2005</strong>, S. 1 und S. 5.<br />
Die neuen Regelungen traten jeweils Ende Juli <strong>2005</strong> in Kraft.<br />
haltspolitischen Faktoren (z. B. Potenzialwachstum,<br />
Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung „in guten<br />
Zeiten“) spielen hier auch Belastungen der Mitgliedstaaten<br />
„aus Finanzbeiträgen zugunsten der internationalen<br />
Solidarität“ sowie zur Verwirklichung der Ziele<br />
der europäischen Politik, insbesondere der Einigung<br />
Europas, eine Rolle.<br />
● Wegen eines übermäßigen Defizits können in der Regel<br />
innerhalb von 16 Monaten – anstelle von bisher<br />
zehn Monaten – nach der so genannten. „Maastricht-<br />
Meldung“ vom März bzw. September Sanktionen verhängt<br />
werden. Von dem Grundsatz, wonach das übermäßige<br />
Defizit im Jahr nach seiner Feststellung abzubauen<br />
ist, sind bei Vorliegen „besonderer<br />
Umstände“, die sich aus den „sonstigen einschlägigen<br />
Faktoren“ ergeben können, Ausnahmen zugelassen<br />
worden.<br />
● Bei unerwarteten nachteiligen wirtschaftlichen Ereignissen<br />
kann der ECOFIN-Rat seine Empfehlungen<br />
verändern und die Frist zum Defizitabbau um ein Jahr<br />
verlängern, wenn der betreffende Mitgliedstaat die<br />
früheren Empfehlungen erfolglos umgesetzt hat.<br />
Der Bun<strong>des</strong>rechnungshof hat in einer öffentlichen Anhörung<br />
<strong>des</strong> Finanzausschusses <strong>des</strong> Deutschen Bun<strong>des</strong>tages<br />
(19. Januar <strong>2005</strong>) zur Reform <strong>des</strong> Stabilitäts- und Wachstumspaktes<br />
die Auffassung vertreten, dass das Regelwerk<br />
<strong>des</strong> Paktes nur dann einen Beitrag für stabile Staatsfinanzen<br />
leisten kann, wenn folgende Aspekte beachtet werden<br />
29:<br />
● Das Regelwerk muss transparent und operational<br />
sein. Es müssen zur Sicherung der Haushaltsdisziplin<br />
klare finanzwirtschaftliche Vorgaben bestehen, die<br />
nachprüfbar sind. Daher sollte an den finanzpolitischen<br />
Referenzwerten festgehalten und auf interpretierbare<br />
„weiche“ Faktoren weitgehend verzichtet<br />
werden.<br />
● Das Regelwerk muss einen wirksamen Beitrag zur<br />
Begrenzung der Staatsverschuldung liefern. Hierzu<br />
gehören eine verbesserte Transparenz bei der Überwachung<br />
der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten sowie<br />
eine stärkere Beachtung <strong>des</strong> Schuldenstan<strong>des</strong> bei der<br />
Bewertung der Haushaltspolitik.<br />
● Das Regelwerk muss sanktionsbewehrt sein, um die<br />
Mitgliedstaaten anzuhalten, der Konsolidierungsvorgaben<br />
zur Korrektur eines übermäßigen Defizits tatsächlich<br />
umzusetzen. Min<strong>des</strong>tens ebenso wichtig wie<br />
der Sanktionsmechanismus ist allerdings, dass im<br />
Falle von Regelverletzungen die vorgesehenen Sanktionen<br />
auch konsequent angewandt werden.<br />
29 Vgl. Protokoll <strong>des</strong> Finanzausschusses <strong>des</strong> Deutschen Bun<strong>des</strong>tages<br />
Nr. 15/84, Anlage: Stellungnahme <strong>des</strong> BRH.