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Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2005 - Beispielklagen

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Deutscher Bun<strong>des</strong>tag – 16. Wahlperiode – 91 – Drucksache 16/160<br />

2.5 Normative Begrenzung der<br />

Nettoneuverschuldung<br />

Die zulässige Nettoneuverschuldung wird durch Artikel<br />

115 Abs. 1 Grundgesetz bestimmt. Die Regelobergrenze<br />

für die Nettoneuverschuldung ist danach die Summe<br />

der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen.<br />

Eine Überschreitung ist nur zur Abwehr einer<br />

Störung <strong>des</strong> gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig.<br />

Diese Obergrenze darf aber keinesfalls immer ausgeschöpft<br />

werden. Nach Artikel 109 Abs. 2 Grundgesetz<br />

haben Bund und Länder bei ihrer Haushaltswirtschaft den<br />

Erfordernissen <strong>des</strong> gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts<br />

Rechnung zu tragen. In Anknüpfung an die verfassungsgerichtliche<br />

Rechtsprechung erfordert dies in konjunkturellen<br />

Normallagen einen völligen Verzicht auf eine<br />

Nettokreditaufnahme, min<strong>des</strong>tens aber eine Begrenzung<br />

der Nettoneuverschuldung deutlich unterhalb der Regelobergrenze.<br />

Langfristiges Ziel muss die Erwirtschaftung<br />

von Haushaltsüberschüssen (Nettotilgungen) sein 20 .<br />

Für die Bun<strong>des</strong>haushalte 2002 bis 2004 stellte der Deutsche<br />

Bun<strong>des</strong>tag jeweils fest, dass eine Störung <strong>des</strong> gesamtwirtschaftlichen<br />

Gleichgewichts vorlag und die erhöhte<br />

Kreditaufnahme zu ihrer Abwehr geeignet sei.<br />

Gegen das Bun<strong>des</strong>haushaltsgesetz 2004 ist derzeit ein<br />

Normenkontrollverfahren beim Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht<br />

anhängig, in dem die Antrag stellenden Fraktionen<br />

CDU/CSU und FDP u. a. die Verletzung <strong>des</strong> Artikels 115<br />

Abs. 1 Grundgesetz geltend machen (vgl. dazu auch<br />

Nr. 1.3.1). Nach der Rechtsprechung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts<br />

steht dem Haushaltsgesetzgeber bei der<br />

Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Überschreitung<br />

der Regelkreditobergrenze vorliegen, ein Einschätzungs-<br />

und Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerfGE<br />

Bd. 79, S. 311, 342 f.). Ihn trifft allerdings im Gesetzgebungsverfahren<br />

eine entsprechende Darlegungslast, d. h.<br />

der Haushaltsgesetzgeber muss seine Entscheidung, diese<br />

Ausnahmeregelung in Anspruch zu nehmen, plausibel begründen.<br />

Vor dem Hintergrund <strong>des</strong> Anstiegs der jährlichen Nettoneuverschuldung<br />

insbesondere in den letzten Jahren hat<br />

der Bun<strong>des</strong>rechnungshof in seinen <strong>Bemerkungen</strong> 2004<br />

(Bun<strong>des</strong>tagsdrucksache 15/4200 Nr. 2.6) dargelegt, dass<br />

sich die geltende verfassungsrechtliche Regelung <strong>des</strong> Artikels<br />

115 Grundgesetz als weitgehend wirkungslos erwiesen<br />

hat, den Schuldenaufwuchs im Bun<strong>des</strong>haushalt zu<br />

begrenzen. Allein im Zeitraum 1985 bis 2004 hat der<br />

Bund rund 509 Mrd. Euro an neuen Krediten zum Haushaltsausgleich<br />

aufgenommen, das sind rund 25 Mrd. Euro<br />

im Jahresdurchschnitt. In diesem Zeitraum hat die Nettoneuverschuldung<br />

mit rund 98 % fast das Volumen der Investitionsausgaben<br />

im Bun<strong>des</strong>haushalt erreicht. In dersel-<br />

20 Vgl. Urteil <strong>des</strong> BVerfG vom 18.04.1989, BVerfGE Bd. 79, S. 311,<br />

334; Urteil <strong>des</strong> Verfassungsgerichtshofes für das Land NRW vom<br />

02.09.2003, NVwZ 2004, S. 217, 219; Urteil <strong>des</strong> Berliner Verfassungsgerichtshofes<br />

vom 31.10.2003, S. 12 <strong>des</strong> Urteilsabdrucks; Beschluss<br />

der Präsidentenkonferenz der Rechnungshöfe <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong><br />

und der Länder vom 07.–09.05.2001 zu TOP 7.2 Nr. 1.<br />

ben Zeitspanne ist die Gesamtwirtschaft um immerhin<br />

rund 50 % real gewachsen.<br />

Nach Einschätzung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rechnungshofes sind für<br />

diese Entwicklung vor allem folgende Faktoren ursächlich:<br />

● Der für die Kreditobergrenze maßgebliche haushaltsrechtliche<br />

Investitionsbegriff ist zu weit gefasst mit<br />

der Folge, dass die Kreditermächtigung zu hoch ausfällt.<br />

Dies gilt vor allem für die Nichtberücksichtigung<br />

<strong>des</strong> Werteverzehrs an hergestellten oder beschafften<br />

Investitionen der laufenden Periode (Abschreibungen).<br />

Ebenfalls keine investitionsmindernde Berücksichtigung<br />

finden Vermögensverwertungen wie der<br />

Verkauf von Unternehmensbeteiligungen, die in ihrer<br />

Wirkung den Charakter von Desinvestitionen haben.<br />

● Die Ausnahmeregelung <strong>des</strong> Artikels 115 Abs. 1<br />

Grundgesetz wird häufig in Anspruch genommen, um<br />

höhere Kredite zu rechtfertigen (seit dem Jahre 1997<br />

viermal). Die vom Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht hierfür<br />

entwickelte erhöhte Begründungs- und Darlegungslast<br />

bei Überschreiten der Regelkreditobergrenze bildet in<br />

der Haushaltspraxis kein wirksames Hindernis für eine<br />

höhere Neuverschuldung, wie die Bun<strong>des</strong>haushalte<br />

2002 bis 2004 zeigen.<br />

● Einmal aufgenommene Schulden können durch neue<br />

Kredite im Rahmen einer so genannten Anschlussfinanzierung<br />

getilgt werden. Eine Verpflichtung zu einer<br />

echten Schuldentilgung ist finanzverfassungsrechtlich<br />

nicht vorgesehen.<br />

● Die Regelung, dass für Sondervermögen Ausnahmen<br />

von der Regelobergrenze zugelassen werden können<br />

(Artikel 115 Abs. 2 Grundgesetz), lädt gerade dazu<br />

ein, durch Bildung von Sondervermögen zusätzliche<br />

Schulden außerhalb der verfassungsmäßigen Kreditbeschränkungen<br />

aufzubauen.<br />

● Zudem ist die Verschuldungsregelung <strong>des</strong> Artikels 115<br />

Grundgesetz nicht kompatibel zu den Stabilitätsverpflichtungen<br />

Deutschlands nach dem Europäischen<br />

Stabilitäts- und Wachstumspakt (vgl. dazu Nr. 2.8.1).<br />

Mit Blick auf die Verschuldungsentwicklung haben die<br />

Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> und der Länder am 5. Mai 2004 eine neue<br />

nationale Verschuldungsregelung mit „mehr Biss“ empfohlen.<br />

Einige Lan<strong>des</strong>rechnungshöfe haben in ihren Jahresberichten<br />

diesen Beschluss aufgegriffen und eine stärkere<br />

Konsolidierung in ihren Ländern angemahnt 21.<br />

21 Vgl. u. a. Jahresbericht 2003 <strong>des</strong> LRH Sachsen-Anhalt, S. 19–25;<br />

Jahresbericht 2004 <strong>des</strong> LRH Hessen, S. 118–119; Jahresbericht 2004<br />

<strong>des</strong> LRH Rheinland-Pfalz, S. 13; Jahresbericht 2004 <strong>des</strong> LRH<br />

Saarland, S. 48–52; Jahresbericht 2004 <strong>des</strong> LRH Sachsen,<br />

S. 86–92; Jahresbericht 2004 <strong>des</strong> LRH Thüringen, S. 84 und Anhang;<br />

Jahresbericht <strong>2005</strong> <strong>des</strong> LRH Berlin, S. 29–31; Jahresbericht<br />

<strong>2005</strong> <strong>des</strong> LRH Hamburg, S. 17–20 und 223–226; Jahresbericht<br />

<strong>2005</strong> <strong>des</strong> LRH Nordrhein-Westfalen, Vorwort S. VI f.; Jahresbericht<br />

<strong>2005</strong> <strong>des</strong> LRH Schleswig-Holstein, S. 14–18 und S. 70–79.

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