Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2005 - Beispielklagen
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Drucksache 16/160 – 122 – Deutscher Bun<strong>des</strong>tag – 16. Wahlperiode<br />
11.3<br />
Das Bun<strong>des</strong>ministerium <strong>des</strong> Innern (Bun<strong>des</strong>ministerium)<br />
hat sich nicht geäußert. Das Bun<strong>des</strong>ministerium der Finanzen,<br />
das die Dienstaufsicht im Einvernehmen mit dem<br />
Bun<strong>des</strong>ministerium ausübt, hat sich die Stellungnahme<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>amtes zu Eigen gemacht. Das Bun<strong>des</strong>amt hat<br />
in seiner Stellungnahme darauf verwiesen, dass die Ausgleichsämter<br />
vordringlich die Rückforderungsverfahren<br />
wegen Vermögensschäden im Beitrittsgebiet bearbeitet<br />
hätten und damit voll ausgelastet gewesen seien. Ein<br />
Zinsverlust für den Bund sei nicht entstanden, weil Rückforderungen<br />
wegen Schadensausgleichs in den Vertreibungsgebieten<br />
nicht zusätzlich hätten erledigt werden<br />
können.<br />
Weil der Anteil der polnischen Belegenheitsfälle relativ<br />
gering sei, habe man die Archivierung dieser Akten nicht<br />
ausgesetzt. Wegen der Befürchtung, es könnte zu politischen<br />
Verwicklungen im Verhältnis zu Polen führen, würden<br />
polnische Fälle von Amts wegen grundsätzlich nicht<br />
mehr aufgegriffen.<br />
Detaillierte Regelungen zum Aufgriff ungarischer Fälle<br />
seien nicht erlassen worden, weil hier nicht ohne weiteres<br />
auf einen Schadensausgleich geschlossen werden könne.<br />
Da aus Ungarn keine Informationen erhältlich seien, sei<br />
die Ausgleichsverwaltung auf die gesetzliche Anzeigepflicht<br />
angewiesen, um von den einschlägigen Fällen<br />
Kenntnis zu erhalten.<br />
Angesichts der geringen Zahl von Rückforderungen in<br />
den Vertreibungsgebietsfällen reiche es aus, wenn auch<br />
künftig lediglich konkreten Entwicklungen im Restitutions-<br />
bzw. Entschädigungsrecht der ehemaligen Vertreibungsstaaten<br />
nachgegangen werde. Entscheidend sei,<br />
dass die Betroffenen verpflichtet seien, den Schadensausgleich<br />
zu melden und nicht die Erfassung einschlägiger<br />
Rechtsentwicklungen. Diese Anzeigepflicht schränke zudem<br />
die Pflicht der Ausgleichsverwaltung ein, rückforderungserhebliche<br />
Sachverhalte zu ermitteln. Im Übrigen<br />
habe das Bun<strong>des</strong>amt die Rechtsentwicklung in den mittelund<br />
osteuropäischen Ländern ausreichend beobachtet.<br />
Das Bun<strong>des</strong>amt hat sich zu der fehlenden, zeitnahen und<br />
umfassenden Regelung an die Ausgleichverwaltung nicht<br />
geäußert.<br />
11.4<br />
Die behauptete Auslastung der Ausgleichsämter mit<br />
Beitrittsgebietsfällen hätte das Bun<strong>des</strong>amt nicht hindern<br />
dürfen, die Erfassung und Durchführung von Rückforderungsverfahren<br />
wegen Schadensausgleich in Vertreibungsgebieten<br />
zeitnah und umfassend zu regeln. Die<br />
Ausgleichsämter hätten mit Hilfe einer Aufgriffsregelung<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>amtes ohne großen zusätzlichen Aufwand bei<br />
der Archivierung der Akten die polnischen Belegenheitsfälle<br />
und alle übrigen Vorgänge, die für eine – ggf. spä-<br />
tere – Rückforderung von Lastenausgleichsleistungen in<br />
Frage kommen, aussondern können. Die Akten wären<br />
dann nicht im Lastenausgleichsarchiv in der Masse der<br />
Akten untergegangen und stünden für Rückforderungsmaßnahmen<br />
sofort bereit. Allein schon durch den dadurch<br />
bedingten Mehraufwand werden Rückforderungen<br />
verzögert und Zinsverluste verursacht. Gegen den Einwand<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>amtes, die polnischen Belegenheitsfälle<br />
machten einen relativ geringen Anteil aus, sprechen die<br />
gezahlten Lastenausgleichsleistungen. Da die Spätaussiedlerinnen<br />
und Spätaussiedlern aus Polen nicht enteignet<br />
wurden und sie dorthin frei einreisen können, gibt es<br />
Schadensausgleiche. Entsprechend dem Lastenausgleichsgesetz<br />
ist <strong>des</strong>halb gewährter Schadensausgleich<br />
zurückzufordern. Etwaige außenpolitische Erwägungen<br />
können die Ausgleichsverwaltung von dieser Verpflichtung<br />
nicht entbinden, solange die gesetzlichen Regelungen<br />
fortbestehen.<br />
Der Bun<strong>des</strong>rechnungshof bleibt bei seiner Einschätzung,<br />
dass die Anfrage an die ungarische Behörde bereits einige<br />
Jahre früher hätte gerichtet werden müssen, um Rückforderungen<br />
bei Schadensausgleich zügig geltend machen zu<br />
können. Jede Verzögerung birgt mit zunehmender Zeitdauer<br />
die Gefahr, dass berechtigte Ansprüche nicht mehr<br />
oder schwerer durchsetzbar sind.<br />
Der Hinweis auf die Verpflichtung Betroffener, einen<br />
Schadensausgleich anzuzeigen, kann nicht entschuldigen,<br />
dass dem Bun<strong>des</strong>amt der Überblick über die Rechtsentwicklungen<br />
in ehemaligen Vertreibungsstaaten fehlt. Ohne<br />
Kenntnis der Rechtsentwicklungen kann die Ausgleichsverwaltung<br />
nicht beurteilen, ob Schäden in einzelnen<br />
Ländern ausgeglichen werden und dadurch Rückforderungsansprüche<br />
nach dem Lastenausgleichsgesetz entstehen.<br />
Die bestehende Anzeigepflicht entbindet die<br />
Ausgleichsverwaltung nicht von ihrer Amtsermittlungspflicht.<br />
Das Bun<strong>des</strong>amt hat dafür zu sorgen, dass der<br />
Bun<strong>des</strong>haushalt die ihm nach dem Lastenausgleichsgesetz<br />
zustehenden Einnahmen erhält. Es kann nicht davon<br />
ausgegangen werden, dass Schadensausgleiche pflichtgemäß<br />
gemeldet werden. Dies zeigen auch die bisherigen<br />
Rückforderungsvorgänge, die ganz überwiegend die Ausgleichsverwaltung<br />
selbst einleitete und nicht auf Meldungen<br />
der Ausgleichsempfängerinnen und Ausgleichsempfänger<br />
zurückzuführen waren. Hinzu kommt, dass bereits<br />
im Zuge der Archivierung eine Aufgriffsregelung notwendig<br />
ist, um späteren Mehraufwand für das Auffinden<br />
entsprechender Akten zu vermeiden und um zeitnahe<br />
Rückforderungen geltend zu machen.<br />
Das Bun<strong>des</strong>amt bleibt trotz der Auslastungsprobleme aufgefordert,<br />
eine umfassende Regelung für gegenwärtige<br />
und künftige Rückforderungen wegen Schadensausgleich<br />
in ehemaligen Vertreibungsgebieten zu erlassen sowie<br />
weiterhin die Entwicklung <strong>des</strong> Restitutions- und Entschädigungsrecht<br />
in den mittel- und osteuropäischen Staaten<br />
zu beobachten und zu dokumentieren.