Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2005 - Beispielklagen
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Deutscher Bun<strong>des</strong>tag – 16. Wahlperiode – 121 – Drucksache 16/160<br />
Das Bun<strong>des</strong>ausgleichsamt hat versäumt, der Ausgleichsverwaltung<br />
eine zeitnahe und umfassende Regelung für<br />
die Geltendmachung solcher Rückforderungsansprüche<br />
an die Hand zu geben. Zudem hat es die Rechtsentwicklungen<br />
in einer Reihe von mittel- und osteuropäischen<br />
Staaten nicht dokumentiert. Dem Bun<strong>des</strong>haushalt entstanden<br />
zumin<strong>des</strong>t Zinsverluste, die vermeidbar gewesen<br />
wären. Da inzwischen ein Großteil der Lastenausgleichsvorgänge<br />
archiviert ist, bleiben Rückforderungen bisher<br />
auf wenige Verfahren beschränkt.<br />
11.1<br />
Aufgrund der veränderten politischen Lage in den mittelund<br />
osteuropäischen Staaten sind dort vereinzelt im Zusammenhang<br />
mit der Vertreibung von Deutschen früher<br />
erlassene Enteignungsdekrete und -gesetze aufgehoben<br />
oder geändert worden. Teilweise führen diese Rechtsänderungen<br />
zu einem Anspruch auf Schadensausgleich für<br />
Vertreibungsschäden. Ein solcher Ausgleich begründet<br />
Rückforderungsansprüche <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> gegen Betroffene,<br />
die nach dem Lastenausgleichsgesetz Entschädigungen<br />
erhalten hatten.<br />
Der Bun<strong>des</strong>rechnungshof prüfte, wie das Bun<strong>des</strong>ausgleichsamt<br />
(Bun<strong>des</strong>amt) in Fällen <strong>des</strong> Ausgleichs von<br />
Vermögensschäden in ehemaligen Vertreibungsgebieten<br />
vorging. Er stellte fest, dass das Bun<strong>des</strong>amt seit den Jahren<br />
1992/1993 deutliche Hinweise auf eine Entschädigungsregelung<br />
in Ungarn sowie auf Möglichkeiten für<br />
Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler aus Polen hatte,<br />
über ihr zurückgelassenes, nicht enteignetes Vermögen<br />
wieder frei verfügen zu können (sog. polnische Belegenheitsfälle).<br />
Für die ungarischen Fälle verfügte das Bun<strong>des</strong>amt im<br />
Juni 1992, dass die Akten besonders zu kennzeichnen<br />
sind, falls Unterlagen zur Vorlage bei ungarischen Behörden<br />
angefordert werden. Nähere Anweisungen zur<br />
Durchführung von Rückforderungsverfahren ergingen<br />
nicht. Zehn Jahre später wandte sich das Bun<strong>des</strong>amt über<br />
das Bun<strong>des</strong>ministerium der Finanzen und das Auswärtige<br />
Amt an das ungarische Lan<strong>des</strong>entschädigungsamt mit der<br />
Bitte, die Namen und Adressen der Empfängerinnen und<br />
Empfänger ungarischer Entschädigungsleistungen in der<br />
Bun<strong>des</strong>republik Deutschland zu übermitteln. Die ungarische<br />
Seite machte in einer Zwischennachricht datenschutzrechtliche<br />
Bedenken geltend, sodass bislang keine<br />
Rückforderungen wegen Schadensausgleich möglich waren.<br />
Zu den polnischen Belegenheitsfällen erteilte das Bun<strong>des</strong>amt<br />
erstmals im Juli 2001 an die Ausgleichsverwaltung<br />
eine grundsätzliche Anweisung, wie solche Fälle<br />
aufgegriffen und Lastenausgleich zurückgefordert werden<br />
sollen, die es im November 2002 ergänzte und präzisierte.<br />
Die Ausgleichsämter wurden dabei angewiesen, im<br />
Zuge der Archivierung ihre Akten zu prüfen, ob es sich<br />
um Fälle mit möglichem Schadensausgleich und ggf. einzuleitendem<br />
Rückforderungsverfahren handelt. Rückforderungen<br />
blieben bislang auf wenige Fälle beschränkt.<br />
Die verspätet erlassenen Regelungen führten zu verzögerten<br />
Einnahmen für den Bun<strong>des</strong>haushalt.<br />
Inzwischen haben die Ausgleichsämter etwa 1,8 Millionen<br />
der 3,0 Millionen betroffenen Lastenausgleichsvorgänge<br />
archiviert. Rund die Hälfte der archivierten Fälle<br />
entfällt auf Deutsche, die ehemals in Polen gelebt hatten.<br />
Allein im Zeitraum von 1980 bis 1992, in dem die Lastenausgleichsverwaltung<br />
auch eine Vielzahl polnischer Belegenheitsfälle<br />
bearbeitete, sind insgesamt 1,9 Mrd. Euro an<br />
Lastenausgleichsleistungen gewährt worden, von denen<br />
ein nicht bezifferbarer Betrag an aus Polen kommende<br />
Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler ausbezahlt worden<br />
ist. Das Bun<strong>des</strong>amt konnte nicht darlegen, wie die<br />
Rückforderungsfälle wirtschaftlich sinnvoll aufgegriffen<br />
werden können.<br />
Aus den Akten <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>amtes war nicht erkennbar, ob<br />
es in einer Reihe von mittel- und osteuropäischen Staaten<br />
die seinerzeit noch nicht abgeschlossenen Rechtsentwicklungen<br />
weiter verfolgt hat. Teilweise endeten die entsprechenden<br />
Akten vor Jahren mit Einträgen wie „nicht bekannt<br />
ist …, wie die Regelung gehandhabt wird“, „ob und<br />
wann der Gesetzesentwurf verabschiedet wird, ist nicht<br />
bekannt“, oder mit nicht beantworteten Anfragen zu<br />
Rechtsänderungen.<br />
11.2<br />
Der Bun<strong>des</strong>rechnungshof hat beanstandet, dass dem Bun<strong>des</strong>amt<br />
eine zeitnahe und umfassende Regelung für die<br />
Bearbeitung von Fällen fehlt, in denen Vermögensschäden<br />
in ehemaligen Vertreibungsgebieten ausgeglichen<br />
werden, für die die Betroffenen Lastenausgleich erhalten<br />
hatten. Das Bun<strong>des</strong>amt hat der Ausgleichsverwaltung bei<br />
den polnischen und den möglichen ungarischen Rückforderungsfällen<br />
nicht rechtzeitig Verfahrenregelungen zum<br />
Aufgreifen solcher Fälle an die Hand gegeben. Bis zur<br />
Anfrage an das ungarische Entschädigungsamt und der<br />
Regelung zum Aufgriff der polnischen Rückforderungsfälle<br />
vergingen mehrere Jahre nach Kenntnis der Sachlage.<br />
Dadurch haben es die Ausgleichsämter versäumt,<br />
vor der Archivierung ihrer Akten Rückforderungsmöglichkeiten<br />
zu prüfen. Mögliche Rückforderungen von<br />
Lastenausgleichsleistungen konnten <strong>des</strong>halb nicht zeitnah<br />
geltend gemacht werden, mit der Folge, dass min<strong>des</strong>tens<br />
vermeidbare Zinsverluste eingetreten sind. Die Archivierung<br />
erschwert es, Fälle aufzufinden, und führt zugleich<br />
zu unnötiger Mehrarbeit.<br />
Daneben hat der Bun<strong>des</strong>rechnungshof bemängelt, dass<br />
das Bun<strong>des</strong>amt für die Rückforderung von Lastenausgleich<br />
bedeutsame Rechtsentwicklungen in anderen mittel-<br />
und osteuropäischen Staaten nur unzureichend dokumentiert<br />
hat. Ein umfassender Überblick über die<br />
Rechtsentwicklungen in den damaligen Vertreibungsstaaten<br />
konnte den Akten nicht entnommen werden. Dadurch<br />
bleibt offen, ob und inwieweit Rückforderungsmöglichkeiten<br />
im Zusammenhang mit dem Lastenausgleich bestehen.