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WAS TUT GUT? - Universiteit Twente

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gesellschaftlichen Institutionen seien die Orte, an denen diese Einübung in Moral<br />

geschehe; und die dort angelegte habituelle Verankerung moralischen Empfindens<br />

und Handelns sei viel bedeutsamer als der abstrakte und von den Realitäten des<br />

Lebens oft weit entfernte bioethische Diskurs. All dies ist für ihn Teil einer<br />

Anthropologie im antiken aristotelischen Sinn. Was menschlich ist, ergibt sich für ihn<br />

aus einem Zusammenspiel dessen, was den Menschen natürlicherweise vorgegeben<br />

ist und dem, was sie kulturell aus sich selber machen.<br />

Die neuen biotechnologischen Möglichkeiten stellen Kass zufolge eine massive<br />

Gefahr für die Menschheit dar. Dabei betrachtet er es als besonders bedenklich, dass<br />

im Zuge der biologischen Revolution gerade die, wie er schreibt, für unser<br />

Selbstverständnis und unser Wohlergehen zentralen Prinzipien, nämlich die Hingabe<br />

an das Leben und seine Erhaltung, die Freiheit zu forschen und zu erfinden, die<br />

Selbstverpflichtung zu einem leidenschaftlichen Humanismus und das zuversichtliche<br />

Vorantreiben des Fortschritts im Umgang mit der Natur, es sind, die unsere<br />

Menschlichkeit bedrohen. 134 Dies mache es extrem schwer zu erkennen, woher die<br />

Gefahr komme, und schlimmer noch, überhaupt wahrzunehmen, dass eine<br />

Bedrohung gegeben sei.<br />

Als ein Kernproblem der Gegenwart beschreibt Kass das Bestreben, alle<br />

Lebensvorgänge vollständig dem Kalkül rationaler Beherrschung zu unterwerfen.<br />

Diese disposition of rational mastery sei das Wesensmerkmal des technologischen<br />

Umgangs mit der Welt und die eigentliche Tragödie der Moderne. In dem Versuch,<br />

sich von Zufall und Notwendigkeit zu befreien, würden alle Phänomene auf das<br />

Format eines Problems, das mit systematischer Methodik zu lösen sei, reduziert.<br />

Dabei werde übersehen, dass diese problemorientierte Vorgehensweise nur<br />

vermeintlich eine Befreiung von der Beherrschung durch die Natur generieren könne,<br />

sei es diesem Ansatz doch immanent, dass „the solution never carries one beyond<br />

the original problem as given.“ 135<br />

134<br />

Vgl. Leon Kass. 2002. S.3 Ähnlich analysiert auch Ulrich Beck in seinem 1986 erschienenen Buch<br />

Risikogesellschaft: “Wo Risiken die Menschen beunruhigen, liegt der Ursprung der Gefahren also nicht<br />

mehr im Äußeren, Fremden, Nichtmenschlichen, sondern in der historisch gewonnenen Fähigkeit der<br />

Menschen zur Selbstveränderung, Selbstgestaltung, und Selbstvernichtung der<br />

Reproduktionsbedingungen allen Lebens auf dieser Erde.” Ulrich Beck. 1986. S. 300<br />

135<br />

Leon Kass. 2002. S. 37<br />

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