WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
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Wenn von dem Patienten nicht ausdrücklich anderes gefordert wird, halte ich<br />
im Sinne der Seelenruhe grundsätzlich folgendes Vorgehen für sinnvoll: Im Regelfall<br />
sollten Labore nur die angefragten Informationen mitteilen, die nach Einschätzung<br />
des behandelnden Arztes im Kontext einer Diagnose relevant sind. Falls das<br />
Proteinprofil – in Überschreitung des Anfragerahmens - Rückschlüsse auf<br />
gegenwärtig vorliegende bzw. vermutlich zukünftig in Erscheinung tretende<br />
Krankheiten erlaubt, könnte man sich darauf verständigen, dies dem Hausarzt – und<br />
von dieser dem Patienten- nur dann mit zu teilen, wenn geeignete<br />
Therapiemaßnahmen bekannt sind, deren umgehende Anwendung angeraten<br />
erscheint. In dubio pro tranquillitate - Im Zweifel für die Seelenruhe. Gegebenenfalls<br />
wäre die Empfehlung einer erneuten Untersuchung nach einer gewissen Frist ohne<br />
weitere Angabe von Gründen, die beunruhigend wirken könnten, angeraten.<br />
Diese Handhabung von Laboranalysen bedarf allerdings eines<br />
gesellschaftlichen Konsenses. Zu vermeiden ist, dass medizinische Vorgänge<br />
zunehmend zu juristischen Streitobjekten werden wie es in Amerika der Fall ist.<br />
Wenn es sich beispielsweise einbürgern sollte, Labordaten in Prozessen als<br />
Beweismittel heranzuziehen, die im Rückblick anders interpretiert werden können als<br />
zum Zeitpunkt der Analysestellung, und wenn auf deren Basis Medizinerinnen für<br />
dann so genannte Versäumnisse in Regress genommen werden, wächst die<br />
Versuchung, zum eigenen Schutz auf alle Auffälligkeiten unabhängig von weiteren<br />
Überlegungen hinzuweisen. Das aber machte die jeweils gegebenen technischen<br />
Möglichkeiten zum handlungsleitenden Kriterium und wäre damit<br />
gesamtgesellschaftlicher Lebenskunst wenig dienlich.<br />
Betrachtet man die gegenwärtige Situation unseres Gesundheitssystems, so<br />
kann man den Eindruck gewinnen, dass gerade im Hinblick auf den Aspekt<br />
Seelenruhe Handlungsbedarf besteht. Unter Verkennung des übergeordneten Ziels<br />
medizinischen Treibens, nämlich zur Lebensfreude beizutragen, und in<br />
Vernachlässigung der Bedeutung, die der Seelenruhe zur Realisierung dieses Ziels<br />
zukommt, wird der Endpunkt medizinischen Strebens nämlich gegenwärtig vielfach<br />
254 „Es ist besser, gewisse Mühen zu ertragen, damit wir uns umso größerer Freuden erfreuen.<br />
Hinwiederum ist es von Nutzen, sich gewisser Freuden zu enthalten, damit wir nicht weit schlimmere<br />
Schmerzen erleiden.“ In: Epikur: 1988. S. 100<br />
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