WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
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Teil III. Allgemeine Überlegungen zu Diagnostik und Prognostik<br />
Zunächst einmal ist es sinnvoll sich vor Augen zu halten, dass die neuen<br />
Diagnostikverfahren möglicherweise nur eine Gewissheit suggerieren, die real gar<br />
nicht gegeben ist. Es gibt zahllose Beispiele in der Geschichte, die belegen, dass auch<br />
wissenschaftlich fundierte und zum Teil mit massivem Geltungsanspruch<br />
vorgetragene Analysen und Zukunftsprognosen, die sich auf sorgfältige Analysen<br />
stützen, sich als unhaltbar erwiesen haben. Von dem österreichischen Schriftsteller<br />
und scharfsinnige Kulturkritiker Karl Kraus ist in diesem Zusammenhang der Satz<br />
überliefert: „Eine der verbreitetsten Erkrankungen ist die Diagnose.“ 67<br />
Das folgende Beispiel illustriert auf amüsante Weise eine von der Wirklichkeit<br />
widerlegte Prognose: „Mitte des 19. Jahrhunderts belegten amerikanische<br />
Hochrechnungen, die Straßen von New York würden spätestens 1910 meterhoch mit<br />
Pferdemist bedeckt und damit unpassierbar sein. Dies klingt etwas seltsam für<br />
unsere Ohren, aber es entsprach der Wahrscheinlichkeitsrechnung – und es war<br />
nach damaligen Erkenntnissen durchaus glaubwürdig.“ 68 Eine von Bescheidenheit<br />
und Skepsis gegenüber diagnostischen und prognostischen Aussagen geprägte<br />
Haltung ist von daher sicherlich zu empfehlen.<br />
Hinzu kommt, dass es natürlich völlig offen ist, ob sich die Lebensläufe so<br />
entwickeln, wie es die Betrachtung der physischen Voraussetzungen suggeriert.<br />
Abgesehen von der Fehlerquote der medizinischen Erkenntnisse, ist die günstigste<br />
Gesundheitsprognose wenig nützlich, wenn jemand bei einem Verkehrsunfall ums<br />
Leben kommt. Und eine heute noch als unbehandelbar geltende Krankheit kann<br />
schon morgen mittels eines Medikaments oder kleinen Eingriffs problemlos zu heilen<br />
sein. Vermutlich bringen die Wissenschaftlerinnen, die um die Komplexität der von<br />
ihnen ermittelten Ergebnisse und die Unwägbarkeit vieler weiterer Faktoren wissen,<br />
noch am ehesten die notwendige Distanz und Vorsicht in Bezug auf die von ihnen<br />
erstellten Prognosen auf. Anderes gilt allerdings häufig für die Menschen, denen eine<br />
sie persönlich oder ihre Angehörigen betreffende Prognose mitgeteilt wird. Diese<br />
werden von den Aussagen existentiell berührt und haben es von daher wesentlich<br />
schwerer, eine sachlich distanzierte und kritische Haltung an den Tag zu legen.<br />
67 http://www.zit.at/show_name.php3?name=530<br />
68 http://www.zitate.de/detail-kategorie-7794.htm<br />
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