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WAS TUT GUT? - Universiteit Twente

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Äußerungen bekommen also ihr Gewicht und ihre Bedeutung durch die besondere<br />

Situation der sie betreffenden Menschen.<br />

Zwei weitere Faktoren tragen zusätzlich zu der besonderen Gewichtung und in<br />

der Rezeption vollzogenen internen Vergrößerung von Prognosen bei: Da ist zum<br />

einen die genuin menschliche Versuchung in der so oft zitierten „selbstverschuldeten<br />

Unmündigkeit“ zu verharren und Verantwortung zu delegieren. Gerade im<br />

medizinischen Kontext kommt dieses Bestreben immer wieder zum Tragen: Ein Teil<br />

der Patientinnen überträgt die Sorge für ihre Gesundheit den Fachleuten und<br />

erwartet, dass diese ein aufgetretenes physisches Problem beheben wie eine<br />

Autopanne. Die Krankheit wird wie eine aus dem gesamtkörperlichen und<br />

lebensweltlichen Kontext herausgelöste Entität betrachtet, und die Bedeutung des<br />

eigenen Engagements, der Involvierung in den Heilungsprozess, wird dabei nur<br />

unzureichend wahrgenommen. Gleichzeitig kommt es zur Projektion von<br />

Allmachtsphantasien auf die Mediziner, derer diese sich nur mit Mühe erwehren<br />

können. 71 Der gängige Begriff der „Halbgötter in Weiß“ ist dafür symptomatisch.<br />

Und da ist zum andern die Haltung der Mediziner, die den Befunden<br />

zusätzliches Gewicht verleiht: Diese müssen gegenüber der allgemeinen<br />

Verunsicherung und Schwächung der Menschen, mit denen sie zu tun haben, eine<br />

Haltung finden, die Zuversicht, Beruhigung und Vergewisserung vermittelt. Eine<br />

Ärztin, die im Wissen um die Vieldeutigkeit organischer Phänomene nach außen hin<br />

allzu viele Interpretationsvarianten reflektiert, wird kaum als vertrauenswürdig<br />

wahrgenommen, auch wenn ihre Haltung den tatsächlichen Gegebenheiten vielleicht<br />

viel eher entspricht als eine mit Überzeugung und Klarheit vermittelte<br />

eindimensionale Darstellung. Dazu kommt die Versuchung, die Allmachtsprojektionen<br />

der Patientinnen mit einer übersteigerten Selbsteinschätzung zu beantworten, in dem<br />

Versuch den Erwartungen zu entsprechen. Eine verführerische und prekäre<br />

Konstellation, die sorgfältiger Reflexion seitens der Akteure bedarf.<br />

Damit beende ich diese allgemeinen Erwägungen. Das folgende Kapitel ist<br />

Entwicklungen und Prozessen gewidmet, die ihrerseits zum Teil ähnliche Fragen<br />

aufwerfen wie der Proteinchip. Danach wende ich mich dann dem ethischen Diskurs<br />

71 Außerordentlich vergnüglich ist es, Manfred Lütz’ Auslassungen zu diesem Themenbereich –<br />

beispielsweise seine Schilderung einer Chefarztvisite - zu lesen. Vgl. Manfred Lütz. 2005<br />

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