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WAS TUT GUT? - Universiteit Twente

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gewinnen, die im Dickicht des alltäglichen Lebens verloren gegangen ist oder noch<br />

nie gefunden worden ist." 232<br />

Diese grundsätzliche Offenheit, die auf die Hantierung fertiger Konzepte und<br />

Anschauungen, nach deren Vorgaben der Mensch sich formen solle, verzichtet, ist<br />

dabei ein ganz charakteristisches Merkmal. Sie impliziert auch einen weitgehenden<br />

Verzicht auf Annahmen über eine unveränderliche Natur des Menschen, ein für<br />

unseren Zusammenhang interessanter Aspekt beispielsweise im Vergleich mit Kass<br />

und Fukuyama, die ja sehr explizite Vorstellungen von der menschlichen Natur<br />

hantieren. An diesem Punkt liegt die reflektierte Lebenskunst auf einer Linie mit<br />

Kant, der sagte: „Der Mensch solle sich ‚nicht anmaßen zu erkennen, wie er an sich<br />

selbst sei.“ 233 Auch käme es nicht darauf an, ‚was die Natur aus dem Menschen,<br />

sondern was dieser aus sich selbst macht’. 234<br />

Nach Auskunft von Schmid wurzelt die kritische Distanz der reflektierten<br />

Lebenskunst hinsichtlich allgemeiner Annahmen über den Menschen nicht zuletzt in<br />

den historischen Erfahrungen der Neuzeit, die Facetten des Menschseins<br />

hervorgebracht hat, die bis dahin kaum vorstellbar erschienen, und vor deren<br />

Hintergrund kaum noch Aussagen darüber gewagt werden können, wie der Mensch<br />

von Natur aus ist. Trotzdem weist Schmid den Bezug auf die naturalen Bedingungen<br />

des Menschseins nicht völlig von der Hand. Er plädiert für eine skeptische<br />

Anthropologie, die erweitert ist um eine auf Erfahrung basierende Menschenkenntnis,<br />

die nicht zwangsläufig auf die menschliche Natur, wohl aber auf Strukturen von<br />

langer Dauer verweist. „Die Menschenkenntnis bedarf keiner Festlegung dessen, was<br />

der Mensch ‚eigentlich’ ist, und stellt dennoch Anhaltspunkte für die individuelle<br />

Lebensführung zur Verfügung, insofern mit bestimmten Wirklichkeiten des<br />

Menschseins aufgrund regelmäßiger Erfahrung gerechnet werden kann.“ 235<br />

Man kann sich fragen, ob die Grenze zwischen auf Menschenkenntnis<br />

beruhenden Aussagen und Aussagen, die auf einer Beschreibung der menschlichen<br />

Natur basieren tatsächlich scharf zu ziehen ist, wie Schmid behauptet. Vielleicht<br />

könnte man den Unterschied im Sinn der Philosophie der Lebenskunst am ehesten<br />

mit unterschiedlichen atmosphärischen Annäherungen an das menschliche Wesen<br />

232 Wilhelm Schmid. 2004. S. 39<br />

233 Zitiert bei Wilhelm Schmid. 1998. S. 80<br />

234 Zitiert bei Wilhelm Schmid. 1998. S. 81<br />

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