WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
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164<br />
Damit beende ich diese Darstellung der philosophischen Ankerpunkte der<br />
Heuristik der Lebensfreude. Sie hat uns von der Betrachtung der biophilen, das<br />
Leben liebenden und bejahenden Grundhaltung bei Erich Fromm in den Garten<br />
Epikurs geführt, in dem die Freude am Leben und das gemeinschaftliche<br />
Philosophieren über das, was die Freude ausmacht und was sie sich entfalten lässt,<br />
den Gedankengang prägten und uns schließlich zur Philosophie der Lebenskunst<br />
geleitet, die dem modernen Menschen ein intellektuelles und praktisches<br />
Handwerkszeug zur Verfügung stellen will, das ihm hilft, seinem Leben in freier und<br />
schöner Manier Gestalt zu geben. 239<br />
Das bringt uns jetzt zum praktischen Teil der Ausführungen.<br />
239 Im Kontext der Lebenskunst schwingt der Themenkomplex Freier Wille unweigerlich immer mit,<br />
beruht das Konzept doch auf der Annahme, dass es grundsätzlich möglich ist, in freier Entscheidung<br />
dem Leben Gestalt zu geben. Gerade in letzter Zeit ist die Willensfreiheit durch vielerlei Publikationen<br />
ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt worden. Neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der<br />
Hirnforschung suggerieren, dass das Verhalten weit mehr als bislang angenommen, physiologisch<br />
determiniert ist und die Vorstellung, der Wille sei frei, nurmehr eine Illusion. Sollte das korrekt sein,<br />
würde den hier vorgetragenen Überlegungen zur Lebenskunst und einem epikureischen Umgang mit<br />
Medizintechnologie eine wesentliche Grundlage entzogen.<br />
Um dieser Gefahr zu begegnen, will ich es deshalb - ohne die Dikussion an dieser Stelle im<br />
Einzelnen aufrollen zu können - nicht unterlassen, auf die Ausführungen Peter Bieris Über die<br />
Entdeckung des freien Willens hinzuweisen, die in diesem Zusammenhang auf sehr überzeugende<br />
Weise zur Klärung beitragen und zur Unterstützung meines Gedankenganges herangezogen werden<br />
können. Bieri kritisiert in seinem 2001 erschienenen Buch Das Handwerk der Freiheit zunächst die<br />
Idee des unbedingten freien Willens, beruhe diese doch auf dem Gedanken, es sei möglich, von einem<br />
Standpunkt außerhalb unserer selbst zu agieren und uns selbst aus dem Nichts heraus zu erfinden.<br />
Dies sei evidenterweise unmöglich und damit könne der freie Wille nur als prinzipiell bedingter freier<br />
Wille verstanden werden. Der Begriff der Freiheit beziehe sich denn auch nicht auf die Unbedingtheit<br />
des Willens, sondern auf eine bestimmte Art des ‚sich um seinen Willen Kümmerns’. Frei, sagt Bieri, ist<br />
der Wille als erarbeiteter und in drei Dimensionen angeeigneter Wille: „Die eine ist die Dimension der<br />
Artikulation. Hier geht es um Klarheit darüber, was genau es ist, was man will ... Eine zweite<br />
Dimension der Aneignung betrifft die Anstrengung, den eigenen Willen zu verstehen. Wir können<br />
einen Willen als unfrei erfahren, weil er sich unserem Verständnis widersetzt und uns in diesem Sinn<br />
als fremd erscheint ... In einer dritten Dimension der Aneignung schließlich geht es um die Bewertung<br />
des eigenen Willens. Ein Wille kann einem auch deshalb als fremd erscheinen, weil man ihn ablehnt.“<br />
(S. 382 ff.) Nur durch einen solchen Prozess, durch den aus einem Gewirr häufig widerstreitender<br />
Wünsche ein Wille herauskristallisiert wird, werde dieser als eigener freier Wille erlebbar.<br />
Das so verstandene Konzept des freien Willens bezeichnet also weit mehr als das Ergebnis<br />
mehr oder weniger willkürlicher neuronaler Impulse und bleibt durch naturwissenschaftliche<br />
Erkenntnisse im Wesen unberührt.