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WAS TUT GUT? - Universiteit Twente

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Häufig messen sie - in Unkenntnis der Bedingtheit der Ergebnisse – den Vorhersagen<br />

einen unumstößlichen Wahrheitsgehalt bei. Abhängig von Persönlichkeitsstärke und<br />

Reflexionsniveau der Person gewinnt die Vorhersage eine Eigenmächtigkeit, die im<br />

Zweifelsfall in alle Lebensvollzüge hineinwirkt. 69<br />

Im Bereich der Medizin kommt es dabei zu einer eigentümlichen<br />

Überschneidung naturwissenschaftlicher und soziologischer Dimensionen. Einerseits<br />

besteht das Spezifikum moderner, auf Technologie beruhender medizinischer<br />

Vorhersagen darin, dass sie auf reproduzierbaren Messungen basieren und damit den<br />

Charakter argumentierbarer wissenschaftlicher Prognosen haben. Andrerseits sind im<br />

Fall medizinischer Prognosen die Objekte der Vorhersagen gleichzeitig handelnde<br />

Subjekte, die auf das Mitgeteilte reagieren. Die Prognosen können somit den<br />

Charakter von self fulfilling prophecies annehmen, wie sie von Robert K. Merton, dem<br />

amerikanischen Soziologen, der diesen Begriff geprägt hat, für den Bereich der<br />

Soziologie beschrieben worden sind. Was für die Soziologie von Gemeinschaften gilt,<br />

trifft in diesem Zusammenhang auch auf die Psychologie von Individuen und den<br />

Menschen in ihrer Umgebung zu: Die Mitteilung einer objektivierbaren Information,<br />

die die Zukunft eines Individuums betrifft, veranlasst den Empfänger zu bewussten<br />

oder unbewussten Reaktionen. Diese beeinflussen den Verlauf des Geschehens.<br />

Dazu kommt, dass Menschen, die medizinischen Rat suchen, sich durch ihr<br />

„Kranksein in einer Position der Unsicherheit, Schwäche, Abhängigkeit und<br />

Hilfsbedürftigkeit in Verbindung mit Angst und Scham“ 70 befinden. Dies führt in<br />

unterschiedlichen Abstufungen zu einer grundlegenden Verunsicherung, die<br />

gegebenenfalls durch die fremde Umgebung eines Krankenhauses verstärkt wird.<br />

Eine ähnliche grundlegende Verunsicherung wie Kranke erfahren auch schwangere<br />

Frauen und werdende Väter. In ihrer Sorge um das Wohl des heranwachsenden<br />

Kindes nehmen sie alle Äußerungen des medizinischen Fachpersonals, die seine<br />

Befindlichkeit und weitere Entwicklung betreffen, wie durch einen Verstärker wahr<br />

und können sich der diesen Äußerungen für sie anhaftenden Qualität der<br />

Erschütterung im positiven wie im negativen Sinn kaum entziehen. Prognostische<br />

69 Dass andrerseits gerade im Zuge der sich ausweitenden Internetnutzung zunehmend mehr<br />

medizinisches Fachwissen auch Laien zugänglich wird, und Ärztinnen sich häufig mit überaus gut<br />

informierten Patientinnen konfrontiert sehen, die ihre fachliche Sicht der Dinge infrage stellen, stellt<br />

die hier gemachte Aussage nicht infrage.<br />

70 Hans Ulrich Deppe. 2002<br />

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