WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
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Die Lebenskunst, so wissen die biophilen Philosophieentwürfe, ist unlösbar mit<br />
der Kunst zu sterben verbunden, sie bezieht sich darauf, wie Montaigne sagt „a<br />
savoir bien mourir et bien vivre“ 269 . Lebens - und Todeswissen sind nicht<br />
voneinander zu lösen, ist der Tod doch die immer präsente Infragestellung des<br />
Lebendigen. „Gegen alles andere können wir uns Sicherheit verschaffen; dem Tode<br />
gegenüber aber wohnen wir Menschen alle in einer Stadt ohne Mauern“, sagt<br />
Epikur. 270 Dabei ist der Tod<br />
204<br />
„die entscheidende Motivation zur Gestaltung des Lebens. Leben mit<br />
dem Tod heißt dann, sich klar zu sein darüber, dass dieses Leben begrenzt ist,<br />
was immer über diese Grenze hinaus sein wird, und dass der Tod gerade<br />
hierin, Grenze zu sein, seinen Sinn hat, und zwar so sehr, dass das Selbst die<br />
Grenze, würde sie zum Verschwinden gebracht, wohl selbst zu ziehen hätte. ...<br />
Aufgrund der prinzipiellen Möglichkeit für das Selbst, diese Grenze selbst<br />
ziehen zu können, wird das Leben, das ihm zunächst ohne sein Zutun<br />
gegeben ist, zu einer Frage seiner Wahl, einer aktiven Wahl oder Abwahl,<br />
einer expliziten oder impliziten passiven Wahl. Käme der Tod nicht als<br />
Begrenzung, als ‚Horizont’ im eigentlichen Sinne des Wortes in den Blick, hätte<br />
dies ein bedeutungsloses Leben zur Folge, denn es gäbe keinen Grund sich<br />
um eine schönes und erfülltes Leben zu sorgen.“ 271<br />
Die meditatio mortis lehrt, dass der Tod nicht das mit allen Mitteln<br />
Hinauszuzögernde, oder – sollten sich die Möglichkeiten dafür finden lassen - zu<br />
Vermeidende ist, sondern schlicht die Polarität des Lebendigen, an dem dieses erst<br />
erkennbar wird, so wie Licht nicht ohne Nicht – Licht, ohne Grenze, auf die es trifft,<br />
sichtbar wird. Der Spannungsbogen der Existenz ist festgemacht zwischen Sein und<br />
Nicht – Sein und damit angewiesen auf diese grundlegende Polarität. Die biophile<br />
Lebenshaltung mit ihrer Begeisterung für das Lebendige lässt, so paradox auch das<br />
klingen mag, dem Tod Raum, weil sie um seine, das Lebendige in seiner Dynamik<br />
erst ermöglichende Kraft weiß. Vielleicht wandeln sich in Zukunft die<br />
269 Zitiert bei Wilhelm Schmid. 1998. S. 352<br />
270 Zitiert in: Epikur. 1988. S. 81<br />
271 Wilhelm Schmid. 1998. S. 350