WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
hält eine philosophische Neuorientierung oder - präziser gesagt - eine Renaissance<br />
alter Menschen – und Weltbilder Einzug.<br />
In die medizinethische Praxis hat diese Neuorientierung zum Teil bereits<br />
Einzug gehalten. Angesichts von Fragen wie der, ob man bei einem sterbenskranken<br />
Menschen lebenserhaltende Maßnahmen ergreifen sollte und wenn, welche, oder der<br />
Frage, ob man eine Schwangerschaft aus ‚medizinischen’ Gründen abbrechen sollte,<br />
und wenn, unter welchen Bedingungen, erwies sich schon seit spätestens Anfang der<br />
neunziger Jahre die altbewährte, auf Regeln und Prinzipien basierende Ethik einfach<br />
nicht mehr als tauglich; gleichwohl mussten die eilig ins Leben gerufenen<br />
Ethikkommissionen, die vor Ort Empfehlungen für die durch die neuen Möglichkeiten<br />
der Technik ausgelösten Probleme abgeben sollten, wohlbegründete Entscheidungen<br />
treffen. So entwickelte sich aus und in den Notwendigkeiten der Praxis ein ethisches<br />
Denken ‚neuen Stils’ 115 ; es ist gekennzeichnet eher durch das Suchen als durch das<br />
Antworten, eher durch das genaue Wahrnehmen als durch das Umsetzen fest<br />
umrissener Vorstellungen. Entscheidungen werden herbeigeführt durch eine<br />
möglichst präzise Analyse der je gegebenen konkreten Situation, durch das sachliche<br />
Gegenüberstellen der verschiedenen Argumente und eine Güterabwägung, die<br />
schließlich zu der humansten Lösung beitragen soll. Dabei spielt eine stärkere<br />
kontextuelle Ausrichtung, die den Menschen nicht als autonom handelndes<br />
Individuum, sondern als ein in komplexe Beziehungsgeflechte eingebundenes<br />
Lebewesen betrachtet, eine wesentliche Rolle. Deliberative und intersubjektive<br />
Aspekte erhalten eine neue Bedeutung. 116<br />
Auf diese Weise wurde die bislang allein gültige Regelethik abgelöst<br />
beziehungsweise ergänzt durch eher prozedurale Modelle, die sich vor allem an den<br />
Notwendigkeiten der Sorge orientieren, und die die Bedeutung einer genauen<br />
Kenntnis der Situation und die Bedeutung der Bedürfnisse und der Fähigkeiten aller<br />
an einer Situation beteiligten Personen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit<br />
115 Vgl. Fernand van Neste. 2005<br />
116 In diesem Zusammenhang ist auch die Bedeutung der Soziobiologie zu erwähnen, die die<br />
Wechselwirkung zwischen genetischer Veranlagung und kultureller Ausprägung untersucht und<br />
menschliche Kultur als Ergebnis positiver Selektion im Interesse einer förderlichen Anpassung an<br />
vorgegebene Umweltbedingungen betrachtet.<br />
89