WAS TUT GUT? - Universiteit Twente
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Seele stiehlt, das bedeutet: Sie zerstört die Einsamkeit mit uns selbst,<br />
die wir brauchen wie die Luft zum Atmen.“ 263<br />
Die von allen geteilte Kontingenz - Erfahrung ist - obgleich einerseits<br />
immer wieder Anfechtung für das Individuum - andrerseits auch ein Signum<br />
des nicht Greifbaren - und damit des Besonderen, dem Zugriff und der<br />
Manipulation Entzogenen. Gerade in der Nicht - Erklärbarkeit, in dem<br />
Geheimnisvollen, liegt ein Grund für die Unantastbarkeit. Das Geheimnis selbst<br />
schafft eine Aura des Kostbaren und Unberührbaren, die dem so<br />
Umschlossenen den Hauch von Transzendenz verleiht.<br />
Jedem wahrnehmenden Menschen ist schmerzhaft bewusst, wie sehr<br />
reales menschliches und tierisches Leben vielfach geschunden und verletzt<br />
wird. Gerade vor diesem Hintergrund, öffnet das Geheimnis des Lebens, an<br />
dem jeder Organismus kraft seines Existierens teilhat, für jedes Individuum<br />
die Verbindungstür zu einer anderen Wirklichkeit, die - sei es religiös,<br />
ideologisch oder literarisch interpretiert - für die Einzigartigkeit oder<br />
Gewolltheit gerade dieses Lebens Garant steht. Vor diesem Hintergrund<br />
werden die Erklärungsfortschritte, die sich durch die Entwicklung und<br />
Verfeinerung immer neuer Technologien ergeben, von vielen Menschen als<br />
durchaus janusgesichtig erlebt. Die Möglichkeit, des Geheimnisses beraubt zu<br />
werden, und keine grundsätzliche Andersartigkeit in Abgrenzung zu von<br />
Menschen erzeugten Produkten (wie es etwa jene hochkomplexen<br />
technologischen Verfahren sind, die eben dieses ermöglichen) mehr für sich in<br />
Anspruch nehmen zu können, birgt einen ganz eigenen Schrecken.<br />
Nun wird „das Geheimnis des Lebens“ aber nicht in einem großen<br />
Handstreich gelüftet, sondern in vielen kleinen, von „der Öffentlichkeit“ meist<br />
erst mit Verspätung und nur in Ausschnitten wahrgenommenen Einzelschritten<br />
aufgedeckt. Das zu erwartende wuchtige Erschrecken bleibt deshalb vielfach<br />
aus. An seine Stelle tritt bei vielen eine Art diffusen Unbehagens. Und dieses<br />
ist in seinen Äußerungen eher leise als laut. Es verschlägt ihm die Sprache,<br />
weil die Welle der Erkenntnisse und Fortschritte so überwältigend, so<br />
263 Pascal Mercier. 2006. S. 201 f.<br />
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